|
Die Klage auf vorzugsweise Befriedigung (§ 805 ZPO) Die Vorzugsklage, die die Drittwiderspruchsklage ergänzt, dient dem Inhaber eines besitzlosen Pfandrechts oder Vorzugsrecht
an dem Gegenstand, in den der Beklagte und Gläubiger vollstreckt. Ihm bietet die Drittwiderspruchsklage keine Hilfe, da, wie oben unter 4 c cc fff
dargestellt, nur mit dem Besitz verbundene Mobiliarpfandrechte ein Interventionsrecht geben. Er soll, wie sich aus § 805 ZPO ergibt, anders als der Inhaber eines Interventionsrechts die Zwangsvollstreckung in den Gegenstand nicht verhindern können, sondern lediglich bevorzugt aus dem Verwertungserlös befriedigt werden.
Die Vorzugsklage ist wie die Drittwiderspruchsklage eine prozessuale Gestaltungsklage; das Recht auf vorzugsweise Befriedigung entsteht erst durch das stattgebende Urteil (vgl. Lackmann a.a.O., Rn.
633).
a) Abgrenzung zu anderen Rechtsbehelfen Gegenüber der Drittwiderspruchsklage stellt § 805 ZPO eine Spezialvorschrift dar, die bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 805 Abs. 1 ZPO die Anwendung von
§ 771 ZPO ausschließt (vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 634). Dem besitzlosen Pfandrechtsgläubiger bleibt also nur die Vorzugsklage. Da die Vorzugsklage ein Minus zur Drittwiderspruchsklage
darstellt, kann sich aber auch der besitzende Pfandrechtsgläubiger, anstatt Drittwiderspruchsklage zu erheben, mit der Vorzugsklage begnügen (vgl. T/P 805/3; Lackmann a.a.O., Rn. 634; Brox/Walker a.a.O., Rn. 1453).
Im Verteilungsverfahren ist die dortige Widerspruchsklage
(§§ 878 ff. ZPO), mit der die Pfändungspfandrechtsgläubiger um die vorrangige Befriedigung aus dem Erlös streiten, die speziellere und deshalb dort allein anzuwendende Regelung. Materiell-rechtliche Klagen
des besitzlosen Pfandrechtsgläubigers sind während der Dauer des Zwangsvollstreckungsverfahrens ebenso wie bei der Drittwiderspruchsklage ausgeschlossen (s.o. 4 a dd; vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 634; Brox/Walker a.a.O., Rn. 1455).
b) Zulässigkeit
Die Vorzugsklage ist nur bei einer Vollstreckung wegen Geldforderungen
statthaft. Das ergibt sich aus der systematischen Stellung im 2. Abschnitt des 8. Buchs der ZPO (“Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen”). Ferner ist die Vorzugsklage nach h.M. nur bei der Vollstreckung in bewegliche Sachen
statthaft (vgl. RGZ 87, 321; T/P 805/4; Musielak/Becker a.a.O., § 805 Rn. 2; Zöller/Stöber a.a.O., § 805 Rn. 2; Baumbach/Lauterbach/Hartmann a.a.O., § 805 Rn. 5; Lackmann a.a.O., Rn. 635; Brox/Walker a.a.O., Rn. 1456;
a.A. für die Rechtspfändung OLG Hamm NJW-RR 1990, 233). Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift (“Pfändung einer Sache”). bb) Zuständigkeit Nach § 805 Abs. 2 ZPO ist sachlich
abhängig vom Streitwert (§§ 23, 71 GVG) das Amts- oder Landgericht und örtlich
das Gericht, in dessen Bezirk die Zwangsvollstreckung stattgefunden hat (vgl. §§ 805 Abs. 2, 764 Abs. 2 ZPO), zuständig. Die Zuständigkeiten sind gemäß § 802 ZPO ausschließlich.
cc) Rechtsschutzbedürfnis
Das Rechtsschutzbedürfnis besteht vom Beginn der Vollstreckung in die streitgegenständliche Sache bis zur vollständigen Beendigung der Vollstreckung durch Auskehr des Erlöses. Es besteht wie bei der
Drittwiderspruchsklage auch bei nichtigen Vollstreckungsakten, da der Rechtsschein einer wirksamen Pfändung ausreicht.
Die Vorzugsklage ist begründet, wenn dem Kläger ein Pfand- oder Vorzugsrecht zusteht, das dem Pfändungspfandrecht des Vollstreckungsgläubigers im Rang vorgeht
(vgl. T/P 805/8).
Aktivlegitimiert ist der Inhaber des Pfand- oder Vorzugsrechts, passivlegitimiert der Vollstreckungsgläubiger und, wenn der Schuldner der Auszahlung an den Kläger widerspricht, daneben auch der
Schuldner (vgl. § 805 Abs. 3; T/P 805/11).
aa) Pfand- und Vorzugsrechte Als Pfandrechte kommen zunächst alle besitzlosen Pfandrechte in Betracht, etwa die “Einbringungspfandrechte” des BGB wie das Vermieterpfandrecht (§
559 BGB a.F./§ 562 BGB n.F.), das Verpächterpfandrecht (§ 592 BGB) und das Gastwirtpfandrecht (§ 704 BGB). Mit den
übrigen gesetzlichen und vertraglichen, mit dem Besitz verbundenen Pfandrechten kann die Vorzugsklage ebenfalls begründet werden, und zwar dann, wenn entweder dem Pfandgläubiger oder dem Gerichtsvollzieher der
Besitz abhanden gekommen ist oder der Kläger sich, anstatt Drittwiderspruchsklage zu erheben, mit der Vorzugsklage begnügt (s.o. a). Als
Vorzugsrechte kommen die Rechte in Betracht, die in der Insolvenz zur Absonderung berechtigen
(vgl. §§ 50, 51 InsO). Zu nennen sind hier insbesondere das Zurückbehaltungsrecht wegen Verwendungen zum Nutzen einer Sache, § 51 Nr. 2 InsO (z.B. §§ 547 BGB a.F./536a Abs. 2 Nr. 2, 539 BGB n.F., 994 BGB i.V.m. §§ 273 Abs. 2, 1000 Satz 1 BGB), das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht, § 51 Nr. 3 InsO (§§ 369 ff. HGB) und zoll- und steuerpflichtige Sachen, die der öffentichen Hand nach den gesetzlichen Vorschriften als Sicherheit für öffentliche Abgaben dienen, § 51 Nr. 4 InsO.
bb) Vorrang vor dem Pfändungspfandrecht Die Rangfolge der Pfand- und Vorzugsrechte ergibt sich aus § 804 Abs 2 ZPO i.V.m. §§ 50 f. InsO sowie § 804 Abs. 3 ZPO. Danach bestehen folgende
Ranggruppen (vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 641):
(1) Nachträglich in dem guten Glauben daran, daß kein Pfändungspfandrecht bestehe, erworbene Pfandrechte (§ 1208 BGB), (2) privilegierte Pfand- und Vorzugsrechte (gesetzliches und vertragliches Pfandrecht, Pfändungspfandrecht, vgl. § 50 InsO, sowie die in § 51
InsO bezeichneten Rechte) (3) nicht privilegierte Vorzugsrechte wie z.B. das Zuückbehaltungsrecht nach § 273
Abs. 1 BGB (auf diese kann eine Vorzugsklage also nicht mit Erfolg gestützt werden, da sie dem Pfändungspfandrecht unabhängig vom Entstehungszeitpunkt nachgehen).
Innerhalb derselben Ranggruppe gilt gemäß § 804 Abs. 3 ZPO das Prioritätsprinzip.
c) Verfahren, Tenorierung
Hinsichtlich des Verfahrens gilt das zu Drittwiderspruchsklage Gesagte entsprechend, ebenso hinsichtlich der Tenorierung der Kosten und der vorläufigen
Vollstreckbarkeit und des Streitwertes. Zu beachten ist, daß als einstweiliger Rechtsschutz
bis zur Hauptsacheentscheidung eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht in Betracht kommt, da mit der Vorzugsklage anders als mit der Drittwiderspruchsklage nicht die Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung erreicht werden kann. Stattdessen sieht
§ 805 Abs. 4 Satz 1 ZPO vor, daß das Gericht bei Glaubhaftmachung des Anspruchs die Hinterlegung des Erlöses bis zur Hauptsacheentscheidung anordnen kann.
Der Tenor zur Hauptsache lautet etwa (vgl. dazu T/P 805/5; Lackmann a.a.O., Rn. 642; Brox/Walker a.a.O., Rn. 1465):
Der Kläger ist aus dem Reinerlös des am (es folgt das Datum) gepfändeten (es folgt die genaue Bezeichnung des Vollstreckungsgegenstandes, z.B.: “Pkw
VW Golf, amtl. Kennzeichen: ..., Fahrzeug-Ident.-Nr. ...”) bis zum Betrag von (es folgt die genau zu beziffernde Forderung des Klägers) vor dem Beklagten zu befriedigen.
|
|