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Die Fahrnisvollstreckung (§§ 808-827 ZPO)
1. Allgemeines Durchführung: Zuständig ist der Gerichtsvollzieher (GV), der die Sache in Besitz nimmt,
§ 808 Abs. 1 ZPO. a) Vor der Vollstreckung hat der GV zu prüfen, ob die Voraussetzungen der ZV (s.o. A VIII) gegeben sind. Insbesondere: Der Antrag (§ 753 ZPO: “Auftrag”) kann – schriftlich oder mündlich – vom Gläubiger oder einem Vertreter gestellt werden
und begründet ein öffentlich-rechtliches Verhältnis zum GV. Der Gerichtsvollzieher ist selbständiges Organ der Rechtspflege
(“Amtstheorie”) und handelt in eigener Verantwortung. Er ist nicht Vertreter des Gläubigers und nicht dessen Erfüllungsgehilfe. Weisungsbefugnisse des Gläubigers gegenüber dem GV bestehen nur im Rahmen der Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher (GVGA), vgl. T/P 753/15. Für ein evtl. Verschulden des GV haftet nicht der Gläubiger, sondern im Rahmen von Art. 34 GG, § 839 BGB der Staat.
Die örtliche Zuständigkeit des GV ergibt sich aus der Gerichtsvollzieherordnung (GVO). Ein Verstoß gegen die
funktionelle Zuständigkeit des GV führt – anders als ein solcher gegen die örtliche Zuständigkeit – zur Nichtigkeit der Vollstreckungsmaßnahme. b) Vor der Pfändung hat der GV den Schuldner zur freiwilligen Leistung aufzufordern (§§ 754 ZPO, 105 Nr. 2 GVGA). Zahlt der Schuldner, erhält er vom GV die vollstreckbare
Ausfertigung nebst einer darauf gesetzten Quittung (§ 757 Abs. 1 ZPO) ausgehändigt. Streitig ist, ob der GV
bei der Entgegennahme freiwilliger Leistungen ebenfalls hoheitlich handelt (Amtstheorie, so z.B. Zöller a.a.O., § 753 Rn. 4; Musielak a.a.O., § 815 Rn. 5; Brox/Walker a.a.O., Rn. 314) oder insoweit Vertreter
des Gläubigers ist (Vertretertheorie, so z.B. T/P 815/4; Jauernig a.a.O., § 8 II 1 c). Praktische Bedeutung: Wird der Schuldner frei, wenn das von ihm freiwillig dem GV übergebene Geld beim Gläubiger nicht
ankommt? Nach der Vertretertheorie ja, denn GV nimmt Übereignungsangebot des Schuldners als Vertreter des Gläubigers an und erhält Besitz als Besitzmittler des Gläubigers (also Übereignung nach § 929 Satz 1 BGB). Nach
der Amtstheorie vollzieht sich der Eigentumsübergang zwar erst durch die Übergabe (= Zuweisung) des Geldes vom GV an den Gläubiger (Hoheitsakt). Dennoch vertreten auch einige Befürworter der Amtstheorie das Freiwerden
des Schuldners, indem sie § 815 Abs. 3 ZPO analog anwenden (so z.B. Brox/Walker Rn. 314: nicht einzusehen, warum Sch. bei freiwilliger Leistung schlechter stehen soll als bei zwangsweiser Wegnahme, wo § 815 Abs. 3
ZPO direkt gilt; Musielak a.a.O., § 815 Rn. 5; Lackmann a.a.O., Rn. 147; dafür sprechen sich auch T/P 815/4 und Jauernig a.a.O., § 8 II 1 c aus; a.A. – kein Freiwerden – aber z.B. Zöller a.a.O., § 755 Rn. 4). 2. Durchführung der Pfändung
Nach ganz oder teilweise vergeblicher Aufforderung beginnt der GV unter Beachtung der besonderen Vorschriften der Gerichtsvollzieherpfändung mit der Pfändung (Fehler
führen in der Regel zur Anfechtbarkeit der Pfändung gem. § 766 ZPO, in Ausnahmefällen auch zur Nichtigkeit).
Die Pfändung setzt danach über die allgemeinen Voraussetzungen der ZV voraus: - Vorgehen im Zugriffsbereich der Pfändung- Vorgehen in der gesetzlich vorgeschriebenen Art und Weise. Dazu im einzelnen:
a) Der Zugriffsbereich für die Pfändung
(2) Gewahrsam des Gläubigers oder eines zur Herausgabe bereiten Dritten (§
809 ZPO) Die Pfändung von im Gewahrsam des Gläubigers befindlichen Sachen ist gemäß § 809, 1. Alt. ZPO möglich und in der Regel unproblematisch.
Bewegliche Sachen, die zwar im Eigentum des Schuldners stehen, sich aber im Gewahrsam eines Dritten (d.h. nicht des Gläubigers oder Schuldners; Mitgewahrsam des Dritten reicht zur Anwendbarkeit von
§ 809 ZPO aber aus) befinden, können ohne Duldungstitel gegen den Dritten nur gepfändet werden, wenn dieser zu Herausgabe bereit ist (§ 809, 2. Alt. ZPO).
Die Herausgabebereitschaft muß sich nicht nur auf die Pfändung (diese läßt u.U. ein Belassen der gepfändeten Sache im Gewahrsam des Dritten zu, § 809
i.V.m. § 808 Abs. 2 ZPO), sondern auch auf die Verwertung beziehen. Streitig ist, ob der GV trotz fehlender Herausgabebereitschaft des Dritten pfänden darf, wenn Schuldner und Dritter vor der Pfändung zur Vereitelung der
Vollstreckung die Sache in kollusivem Zusammenwirken
in den Gewahrsam des Dritten verbracht haben, der nunmehr die Herausgabe an den GV ablehnt. Zum Teil wird die fehlende Herausgabebereitschaft hier für unbeachtlich gehalten (z.B. LG Berlin DGVZ 1969, 71; LG Stuttgart DGVZ 1969, 168; AG Flensburg DGVZ 1995, 60; Zöller a.a.O., § 809 Rn. 5). Nach der Gegenansicht hat in diesen Fällen die Pfändung wegen der fehlenden Herausgabebereitschaft grundsätzlich zu unterbleiben (z.B. T/P 809/4; Musielak a.a.O.,
§ 809 Rn. 5; Jauernig a.a.O., § 17 III; Brox/Walker a.a.O., Rn. 254). Für diese Gegenansicht spricht, daß der GV bei der Pfändung ohnehin nicht die
Aufgabe hat, materielle Rechtsfragen zu prüfen und subjektive Tatsachen aufzuklären, sondern sich auf leicht und sicher erkennbare äußere Tatsachen verlassen können muß. Danach reicht nicht der Verdacht
einer beabsichtigten Vollstreckungsvereitelung, sondern diese muß dem GV offensichtlich sein (Bsp. nach Brox/Walker und Musielak, jeweils a.a.O.: Dritter räumt die Kollusion gegenüber dem GV selbst ein;
oder: kollusives Zusammenwirken geschieht in Anwesenheit und vor den Augen des GV). Erst dann ist nach dieser Ansicht die Verweigerung der Herausgabebereitschaft rechtsmißbräuchlich (§ 242 BGB) und damit
unbeachtlich. Auch der Gerichtsvollzieher selbst
kann Drittgewahrsamsinhaber gemäß § 809 ZPO sein, nämlich, wenn er die Sache zuvor bereits für einen anderen Gläubiger gepfändet hat und nunmehr in seiner Pfandkammer verwahrt oder als Sequester in Gewahrsam hat. Als selbständiges Organ der Rechtspflege darf der GV, der den Gewahrsam in dieser Funktion erlangt hat, nun aber nicht nach freiem Belieben seine Herausgabebereitschaft verweigern oder erklären. Vielmehr hat er zu prüfen, ob die Pfändung zulässig gewesen wäre, bevor er den Gewahrsam erlangt hat. Darüber hinaus hat er zu prüfen, ob die Pfändung dem Zweck, zu dessen Verfolgung er Gewahrsam erlangt hat, nicht widerspricht (vgl. i.e. Brox/Walker a.a.O., Rn. 250). Liegen beide Voraussetzungen vor, hat er (nochmals) zu pfänden. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, so darf der GV nicht auf der Grundlage der eigenen Herausgabebereitschaft die Zweitpfändung durchführen (z.B.: bereits Erstpfändung nach
§ 809 ZPO bei einem Dritten Herausgabebereitschaft bezog sich nur auf den Erstgläubiger; GV darf Zweitpfändung nur vornehmen, wenn der Dritte
auch für eine Vollstreckung zugunsten des zweiten Gläubigers herausgabebereit ist; oder: GV hat die Sache als Sequester in Vollziehung einer einstweiligen Verfügung [eV] zur Sicherung eines
Herausgabeanspruchs des Antragstellers der eV in Gewahrsam GV hat die Herausgabebereitschaft zu versagen und die Pfändung zu verweigern, da er sonst dem Zweck der eV, den Herausgabeanspruch des
Antragstellers zu sichern, zuwiderhandeln würde).
cc) Keine speziellen Vollstreckungshindernisse (§§ 811, 811c ZPO)
Zu den allgemeinen Vollstreckungshindernissen, die auch
in der Fahrnisvollstreckung gelten, s.o. A VIII 4. Besondere Vollstreckungshindernisse, die zusätzlich und nur in der Fahrnisvollstreckung gelten, sind die Pfändungsverbote gemäß §§ 811, 811c ZPO.
Zu weiteren Pfändungsverboten vgl. Fn. 3 zu § 811 ZPO im Schönfelder. Eine gegen ein
Pfändungsverbot verstoßende Pfändung ist mit der Erinnerung gemäß § 766 ZPO anfechtbar. Wird eine unpfändbare Sache bis zur Entscheidung über die Erinnerung pfändbar
(z.B. Aufgabe der Erwerbstätigkeit bei § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO), ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen, so daß die Erinnerung des Schuldners unbegründet wird (arg. Heilbarkeit von Vollstreckungsmängeln, die nicht zur Nichtigkeit führen; s. auch § 811d ZPO; vgl. T/P 811/3, 766/23). Streitig ist, ob im umgekehrten Fall –
Voraussetzungen eines Pfändungsverbots treten erst nach der Pfändung ein
– ebenfalls auf den Zeitpunkt der Entscheidung (so z.B. Musielak a.a.O., § 811 Rn. 7; Brox/Walker a.a.O., Rn. 295; Lackmann a.a.O., Rn. 145) oder aber auf den Zeitpunkt der Pfändung (so die wohl h.M.; vgl. z.B. LG Berlin Rpfleger 1977, 262; LG Bochum DGVZ 1980, 37; AG Sinzig DGVZ 1990, 95; T/P 811/3; Zöller a.a.O., § 811 Rn. 9; Jauernig a.a.O., § 32 II E) abzustellen ist. Für ein Abstellen auf den Zeitpunkt der Pfändung spricht, daß der Schuldner die Unpfändbarkeitsvoraussetzungen sonst durch nachträgliche Manipulationen herbeiführen könnte, indem er z.B. nach Pfändung eines Fernsehgerätes seinen Zweitfernseher veräußerte. Die Befürworter eines Abstellens auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Erinnerung wollen Manipulationen dadurch entgegenwirken, daß sie die Beweislast dafür, die nachträgliche Unpfändbarkeit nicht mißbräuchlich herbeigeführt zu haben, dem Schuldner auferlegen.
Ein Verzicht des Schuldners auf den Pfändungsschutz des § 811 ZPO vor der Pfändung
ist nach ganz überwiegender Ansicht unwirksam (vgl. T/P 811/5). Der Vollstreckungsschutz steht nämlich nicht zur Disposition des Schuldners, denn er dient nicht nur seinem Interesse, sondern besteht im Hinblick auf das Sozialstaatsprinzip und dient auch der Vermeidung von Sozialhilfeansprüchen (vgl. Musielak a.a.O., § 811 Rn. 8).
Umstritten ist, ob auch ein Verzicht des Schuldners während oder nach der Pfändung unwirksam ist (so die
h.M., z.B. BayObLG NJW 1950, 697; AG Sinzig NJW-RR 1987, 757; T/P 811/5; Zöller a.a.O., § 811 Rn. 10; Musielak a.a.O., § 811 Rn. 9; Brox/Walker a.a.O., Rn. 304; Lackmann a.a.O., Rn. 107) oder zu beachten ist
(so z.T. die frühere Rspr., vgl. die Nachweise bei Zöller a.a.O., § 811 Rn. 10; ferner aus der Literatur z.B. Jauernig a.a.O., § 32 II A). Für die h.M. spricht, daß der Staat da, wo er einwirken kann, die eigene
Existenzvernichtung des Schuldners nicht noch durch staatliche Vollstreckungsmaßnahmen fördern und der Gerichtsvollzieher den Schuldner nicht mit dessen Einverständnis zum “Sozialfall” machen darf (vgl. Musielak
a.a.O., § 811 Rn. 9). Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn der Schuldner den Verzicht auf den
Pfändungsschutz von vornherein mit der Absicht erklärt hat, den Gläubiger zu schädigen. In diesem Fall handelt der Schuldner arglistig und kann sich nicht auf § 811 ZPO berufen (vgl. BayObLG a.a.O.). Problematisch ist, welche Rolle im Rahmen des § 811 ZPO – außerhalb des neuen § 811 Abs. 2 ZPO, der in bestimmten Fällen
den Vorbehaltseigentümer privilegiert – der Eigentumslage
zukommt. Praktisch wird dies z.B. bei einem fälligen und einredefreien Herausgabeanspruch des Gläubigers gegen den Schuldner in Bezug auf eine bestimmte bewegliche Sache: Der Gläubiger, der Eigentümer (z.B. Sicherungseigentümer, nicht aber Vorbehaltseigentümer) einer beweglichen Sache ist, die sich – ohne daß dieser ein Besitzrecht hat – im Besitz des Schuldners befindet, hat gegen den Schuldner in anderer Sache einen Zahlungstitel erwirkt. Er will diese Sache bei dem Schuldner pfänden lassen, der zutreffend einwendet, die Sache sei gemäß § 811 Abs. 1 ZPO unpfändbar. Eine Ansicht läßt hier gegenüber dem Pfändungsverbot den
Arglisteinwand zu und begründet dies damit, der Gläubiger habe aufgrund des unstreitigen materiellen Herausgabeanspruchs auch die Möglichkeit gehabt, sich einen Herausgabetitel zu verschaffen – dieser
wird nach § 883 ZPO vollstreckt; § 811 ZPO gilt dort nicht, da keine Vollstreckung wegen einer Geldforderung in körperliche Sachen vorliegt – und so die Herausgabe ohne Rücksicht auf das Pfändungsverbot zu
erzwingen (so z.B. OLG München MDR 1971, 580; AG Offenbach NJW 1987, 387). Die Gegenansicht lehnt ein derartiges Vorgehen wegen unzulässiger Vermischung von Fahrnisvollstreckung und Herausgabevollstreckung ab.
Die Entscheidung über den Herausgabeanspruch obliege allein dem hierfür zuständigen Prozeßgericht und dürfe ihm nicht durch eine faktische Übertragung auf GV und Vollstreckungsgericht entzogen werden;
andernfalls könne der Gläubiger seinen Herausgabeanspruch – unter Wahrnehmung der für die Erwirkung eines Zahlungstitels geltenden Erleichterungen wie z.B. Mahnbescheid/Vollstreckungsbescheid – ohne
entsprechenden Herausgabetitel durchsetzen (so z.B. OLG Hamm MDR 1984, 855; T/P 811/4; Zöller a.a.O., § 811 Rn. 7; Musielak a.a.O., § 811 Rn. 5;
Brox/Walker a.a.O., Rn. 299; Lackmann a.a.O., Rn. 132). Seit der Einfügung von § 811 Abs. 2 ZPO zum 1. Januar 1999 spricht für die letztgenannte Ansicht zudem die Absicht des Gesetzgebers, nur den
Vorbehaltseigentümer in Bezug auf bestimmte Pfandsachen zu privilegieren. Die Austauschpfändung (§ 811a ZPO)
setzt einen dahingehenden und nur in den Fällen des § 811b ZPO entbehrlichen Beschluß des Vollstreckungsgerichts voraus und ist deshalb weniger
klasurrelevant.
b) Der Pfändungsakt
Hierbei hat der GV insbesondere die nachfolgend dargestellten Punkte zu beachten: aa) Inbesitznahme und Kenntlichmachung (§ 808 ZPO)
Der GV hat die gepfändeten Sachen gem. § 808 Abs. 1 ZPO zunächst in Besitz zu nehmen. Zu diesem Zweck nimmt er nach § 808 Abs. 2 ZPO Geld, Kostbarkeiten und
Wertpapiere an sich. Die Besitzergreifung an den übrigen beweglichen Sachen hat er durch die Kenntlichmachung mit einem Pfandsiegel (“Kuckuck”) oder einer Pfandanzeige kenntlich zu machen, wobei deutlich werden
muß, welche Gegenstände im einzelnen von der Pfändung erfaßt sein sollen. Diese übrigen Gegenstände beläßt der GV beim Schuldner, wenn nicht – wie etwa in der Regel bei Kraftfahrzeugen, vgl. T/P 808/13 –
hierdurch die Befriedigung des Gläubigers gefährdet wird (§ 808 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Für Fragen der §§ 861 und 935 BGB ist die Besitzlage von Bedeutung (vgl. dazu Brox/Walker a.a.O., Rn. 359, 360). Besitzlage, wenn die Sache beim Schuldner verbleibt:Schuldner - unmittelbarer Fremdbesitzer
GV - mittelbarer Fremdbesitzer 1. Stufe Gläubiger - mittelbarer Fremdbesitzer 2. Stufe Schuldner - mittelbarer Eigenbesitzer 3. Stufe
Besitzlage, wenn der GV die Sache wegschafft:
GV - unmittelbarer Fremdbesitzer Gläubiger - mittelbarer Fremdbesitzer 1. Stufe Schuldner - mittelbarer Eigenbesitzer 2. Stufe
Ein Verstoß gegen § 808 Abs. 2 Satz 2 ZPO macht die Pfändung nicht nur anfechtbar, sondern unheilbar nichtig. Bei späterem Unkenntlichwerden der Pfändung
ohne Wissen und Wollen des GV besteht die Pfändung aber fort.
bb) Durchsuchung
Zur Durchführung der Pfändung darf der GV die Wohnung sowie Behältnisse des Schuldners durchsuchen, sich verschlossene Türen und Behältnisse öffnen lassen,
bei Widerstand Gewalt anwenden und sich der Hilfe der Polizei bedienen (§ 758 ZPO). In den Fällen des § 759 ZPO sind Zeugen zuzuziehen. Bis zum Inkrafttreten der Änderungen durch die 2. Zwangsvollstreckungsnovelle durfte der GV nach der ihn gemäß § 31 Abs. 2 BVerfGG bindenden Entscheidung BVerfGE 51,
97 eine Wohnung wegen Art. 13 Abs. 2 GG außer bei Gefahr im Verzug nur auf richterliche Durchsuchungsanordnung durchsuchen. Eine dieser Entscheidung des BVerfG im wesentlichen folgende gesetzliche Regelung
enthält nunmehr der seit dem 1. Januar 1999 geltende § 758a ZPO.
Der GV hat den Schuldner vor der Durchsuchung über sein Widerspruchsrecht zu belehren. Unter Wohnung
ist nach h.M. nicht nur der reine Wohnbereich zu verstehen, sondern der Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 13 GG folgend auch Geschäftsräume nebst Nebenräumen sowie das befriedete Besitztum (vgl. T/P 758a/7).
Durchsuchung
ist das ziel- und zweckgerichtete Suchen, um etwas aufzuspüren, was der Wohnungsinhaber von sich aus nicht offenlegen oder herausgeben will (vgl. BVerfGE 51, 97). Streitig ist, ob auch das Betreten der Wohnung zur Pfändung
offenliegender Sachen eine Durchsuchung darstellt (bejahend
z.B. Musielak a.a.O., § 758a Rn. 3; Lackmann a.a.O., Rn. 151; so sogar für den Fall, daß der GV zuvor bereits weiß, daß sich eine Sache, die er pfänden will, in den Räumen befindet, Brox/Walker a.a.O., Rn. 325;
verneinend z.B. BFH NJW 1989, 855). Verweigert allerdings der Schuldner dem GV bereits den Zutritt zur Wohnung oder öffnet nicht, benötigt der GV in jedem Fall eine Durchsuchungsanordnung, um in die
Wohnung zu gelangen. Das Eindringen in die Wohnung stellt zwar selbst noch kein Durchsuchen dar, geht der Durchsuchung aber zwangsläufig unmittelbar voran und steht daher mit ihr in untrennbarem Zusammenhang.
Ist – bei Alleingewahrsam des Schuldners am Vollstreckungsobjekt – zur Durchsuchung das
Durchschreiten fremden Gewahrsams
notwendig (z.B. Flur des Vermieters, um in Zimmer des Mieters zu gelangen), so benötigt der GV hierzu weder die Einwilligung des Fremdgewahrsamsinhabers nach § 809 ZPO (Vollstreckungsobjekt steht im Alleingewahrsam des Schuldners, nicht des Dritten) noch eine richterliche Durchsuchungsanordnung gegenüber dem Dritten (bloßes Durchschreiten der Wohnung des Dritten ist noch keine Durchsuchung, sondern nur Eingriff nach Art. 13 Abs. 7 GG, der in § 758 ZPO eine hinreichende gesetzliche Grundlage hat).
Will der GV in einer Wohnung oder Räumen pfänden, die im Mitgewahrsam
mehrerer Bewohner stehen (z.B. Wohngemeinschaft), so haben die Mitgewahrsamsinhaber nach dem neuen § 758a Abs. 3 ZPO die Durchsuchung zu dulden. Die aktive Mitwirkung des Dritten
bei der Durchsuchung (z.B.: Bankschließfach, in dem der Schuldner das Vollstreckungsobjekt aufbewahrt, kann nur unter gemeinsamer Verwendung eines Schlüssels des Schuldners und
eines Schlüssels der Bank geöffnet werden; oder: Geld des Schuldners, der Aufsteller von Spielautomaten ist, befindet sich im Automat in einer Gaststätte; an dem Spielautomaten hat der Gastwirt Alleingewahrsam) läßt sich allerdings weder über § 758 ZPO noch über eine richterliche Durchsuchungsanordnung erzwingen. Vielmehr muß der Gläubiger sich den Anspruch des Schuldners gegen den Dritten auf Mitwirkung pfänden und überweisen lassen (dazu später) und sodann notfalls einklagen.
Zur Pfändung zur Nachtzeit sowie an Sonn- und Feiertagen
vgl. § 758a Abs. 4 ZPO, der an die Stelle des aufgehobenen § 761 ZPO getreten ist.
cc) Anschlußpfändung (§ 826 ZPO)
Eine bereits gepfändete Sache kann aus einem weiteren Titel
des Gläubigers oder für einen anderen Gläubiger nochmals gepfändet werden. Dies kann entweder nach §§ 808, 809 ZPO durch eine weitere selbständige Pfändung oder aber unter den vereinfachten Voraussetzungen des §
826 ZPO geschehen. Die Anschlußpfändung nach § 826 ZPO setzt voraus, daß gegen denselben Schuldner vollstreckt wird, die Verstrickung (s.u.) aus der Erstpfändung zum Zeitpunkt der Anschlußpfändung noch
fortbesteht und der GV ein neues Protokoll nach §§ 826, 762 ZPO erstellt. Eine nach § 809 ZPO für die Erstpfändung eingeholte Einwilligung des Dritten muß für die Anschlußpfändung erneut eingeholt werden
(vgl. auch oben B I 2 a bb [2] a.E.).
dd) Verbot der Überpfändung (§ 803 Abs. 1 Satz 2 ZPO) und zwecklosen Pfändung (§ 803 Abs. 2 ZPO)
Der GV vergleicht den geschätzten voraussichtlichen Verwertungserlös
mit der titulierten Forderung, wobei nachgewiesene Teilzahlungen zu berücksichtigen sind. Ist nur ein einziger zur Vollstreckung geeigneter Gegenstand vorhanden, so ist er auch bei deutlichem wertmäßigem
Übersteigen der titulierten Forderung zu pfänden (vgl. T/P 803/16). Würde der geschätzte Verwertungserlös lediglich
die Zwangsvollstreckungskosten decken, hat die Pfändung gemäß § 803 Abs. 2 ZPO zu unterbleiben. Exkurs:
Das Verbot der Überpfändung wird ergänzt durch § 777 ZPO, der vom GV bei der Pfändung allerdings nicht
zu beachten, sondern vom Schuldner nach § 766 ZPO geltend zu machen ist. Zweck des § 777 ZPO: Wie der Gläubiger nicht über den Wert seiner Forderung hinaus vollstrecken darf, soll ihm die Vollstreckung auch untersagt werden können, wenn er im Hinblick auf seine titulierte Forderung bereits hinreichend gesichert ist.
3. Die Rechtswirkungen der Pfändung (Verstrickung und Pfändungspfandrecht)
a) Verstrickung
ist eine Form der staatlichen Beschlagnahme und bedeutet, daß über die gepfändete Sache ein öffentlich-rechtliches Gewaltverhältnis zum Zweck der Zwangsvollstreckung
besteht. Sie ist die Grundlage für alle nachfolgenden Vollstreckungsakte. Die Verstrickung nimmt dem Schuldner die Möglichkeit, durch weitere Verfügungen über die gepfändete Sache die Vollstreckung zu vereiteln. Er bleibt Eigentümer der gepfändeten Sache, darf über sie aber nicht mehr verfügen (vgl. Brox/Walker a.a.O., Rn. 361). Die Verstrickung ist strafrechtlich durch § 136 Abs. 1 StGB – Verstrickungsbruch – und zivilrechtlich durch das relative Veräußerungsverbot der
§§ 135, 136 BGB geschützt. Wichtig: Fehlerhafte Pfändungsakte sind in der Regel nicht nichtig, sondern nur
anfechtbar. Auch bei einer anfechtbaren Pfändung tritt aber Verstrickung des Pfandgegenstandes ein; nur nichtige Vollstreckungsakte können keine Verstrickung bewirken. Nichtigkeit liegt etwa vor, wenn ein
Vollstreckungstitel schon der äußeren Form nach fehlt, ein funktionell unzuständiges Vollstreckungsorgan gepfändet hat, gegen ganz wesentliche Formvorschriften verstoßen worden, etwa bei § 808 ZPO die
Besitzergreifung unterblieben oder nicht hinreichend kenntlich gemacht worden ist oder im Fall einer Anschlußpfändung bereits die Erstpfändung nicht zu einer Verstrickung geführt hat oder die Anschlußpfändung
nicht ordnungsgemäß protokolliert worden ist. Die Verstrickung endet, wenn die Verwertung des
Pfandgegenstandes beendet
ist (dingliche Surrogation gem. § 1247 Satz 2 BGB beachten: an die Stelle des Pfandgegenstandes tritt der aus der Verwertung erzielte Erlös, der nunmehr selbst so lange verstrickt bleibt, bis er dem Gläubiger ausgehändigt worden ist, § 819 ZPO), der
GV die Pfändung aufhebt, indem er die zur Verstrickung führenden Akte rückgängig macht (“Entstrickung”, nicht eigenmächtig, sondern nur auf Anweisung des Gläubigers oder des Vollstreckungsgerichts) oder
ein Dritter die gepfändete Sache gemäß §§ 135 Abs. 2, 936 BGB gutgläubig lastenfrei erwirbt. Nach der Rechtsprechung von RG und BGH führt auch bereits die Freigabeerklärung des Gläubigers
zur Entstrickung (§ 843 ZPO analog; der GV muß dann nicht mehr selbst die Pfändungsakte rückgängig machen); nach der h.M. in der Literatur scheidet hingegen eine analoge Anwendung des § 843 ZPO aus und der GV muß noch tätig werden (so z.B. auch T/P 803/11).
Umstritten ist, ob der GV berechtigt ist, eine nach der Pfändung in den Gewahrsam eines Dritten gelangte Pfandsache
dem Dritten gegen dessen Willen wieder wegzunehmen (“Verfolgungsrecht”). § 750 Abs. 1 ZPO steht einem solchen Verfolgungsrecht nicht entgegen, weil es nicht um den Beginn
der Vollstreckung, sondern um deren Fortsetzung geht. Auch § 809 ZPO steht nicht entgegen, weil die Herausgabebereitschaft nur bei der Pfändung
vorhanden sein muß, um die es bei der Verfolgung als weiterem Vollstreckungsakt nicht mehr geht. Eine Ansicht
bejaht
das Verfolgungsrecht, um eine schlagkräftige Vollstreckung zu gewährleisten und Vollstreckungsvereitelungen des Schuldners effektiv zu verhindern (so z.B. LG Berlin DGVZ 1959, 89; LG Köln MDR 1965, 213; LG Stuttgart MDR 1969, 675; LG Saarbrücken DGVZ 1975, 170; AG Flensburg DGVZ 1995, 60; T/P 809/8; Jauernig a.a.O., § 17 III). Als
Ermächtigungsgrundlage wird z.T. auf § 808 Abs. 2 ZPO abgestellt; ganz überwiegend stützen die Befürworter des Verfolgungsrechts die Eingriffsbefugnis des GV unmittelbar auf seine auf der Verstrickung
beruhende staatliche Verfügungsmacht. Konsequenz: Der GV kann die Pfandsache – unter Beachtung von Art. 13 Abs. 2 GG – auch von einem gutgläubigen Erwerber zurückholen, der sich dann mit der
Drittwiderspruchsklage wehren und sein Eigentum geltend machen muß. Die Gegenansicht
(z.B. AG Dortmund DGVZ 1974, 24; LG Bochum DGVZ 1990, 73; Zöller a.a.O., § 809 Rn. 3; Musielak a.a.O., § 808 Rn. 20; Brox/Walker a.a.O., Rn. 373; Lackmann a.a.O., Rn. 165) sieht für das Verfolgungsrecht hingegen
keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage: § 758 ZPO, der die Zwangsbefugnisse des GV abschließend regele, gebe keine Befugnis zu Zwangsmaßnahmen gegen Dritte; auch sonst, etwa aus §§ 808, 809 ZPO, sei keine Ermächtigungsgrundlage erkennbar.
b) Pfändungspfandrecht
Gemäß § 804 Abs. 1 ZPO erwirbt der Gläubiger durch die
Pfändung ein Pfandrecht an dem gepfändeten Gegenstand, das ihm “dieselben Rechte wie ein durch Vertrag erworbenes Faustpfandrecht” gibt (§ 804 Abs. 2, 1. HS ZPO). Umstritten ist, ob zur Begründung des
Pfändungspfandrechts nur eine wirksame Verstrickung vorliegen muß (“öffentlich-rechtliche Theorie”) oder weitere materiellrechtliche Voraussetzungen hinzukommen müssen (“privatrechtliche Theorie”;
“gemischte privatrechtlich-öffentlich-rechtliche Theorie”). Es handelt sich hierbei um eine theoretische Grundsatzfrage, zu der auch der BGH in der Entscheidung BGHZ 119, 75 ausführlich und
umfassend den Streitstand dargestellt und Stellung bezogen hat, die aber nur in einzelnen Fallgestaltungen (s. dazu u.
) praktische Bedeutung hat und deshalb in einer Klausur nur dann näher – allerdings unter Anwendung praktischer Vernunft, denn Sie absolvieren das
2. Staatsexamen – erörtert werden sollte, wenn der Fall wirklich
dazu Anlaß gibt (etwa bei unterschiedlichen Ergebnissen oder, wenn die Parteien die Streitfrage im Klausurtext ausdrücklich ansprechen; vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 166; ferner Stöber in Zöller a.a.O., § 804 Rn. 2, der eine nähere Kommentierung als nicht in den “Zöller” gehörend ablehnt).
Deshalb nur zum Überblick im einzelnen (näher etwa Brox/Walker a.a.O, Rn. 379 ff.; Jauernig a.a.O., § 16 III):
aa) Die privatrechtliche Theorie
hielt vor dem Hintergrund der früher vorherrschenden Auffassung, die Zwangsvollstreckung stelle einen privatrechtlichen Vorgang dar, das Pfändungspfandrecht für die – neben dem vertraglichen
und gesetzlichen Pfandrecht – dritte Art eines bürgerlich-rechtlichen Pfandrechts, dessen rechtsgeschäftliche Bestellung durch den Pfändungsakt ersetzt werde. Sie wurde vom Reichsgericht vertreten und
war bis zu Beginn der 30er Jahre auch in der Literatur vorherrschend, wird heute aber nicht mehr vertreten.
bb) Die öffentlich-rechtliche Theorie
meint, das Pfändungspfandrecht richte sich allein nach öffentlichem Recht und habe mit den §§ 1204 ff. BGB daher nichts zu tun:
- Es entstehe ohne weitere Voraussetzungen bereits mit einer wirksamen Verstrickung, also auch an schuldnerfremden Sachen oder dann,
wenn die titulierte Forderung nach materiellem Recht nicht besteht (keine Akzessorietät). - Es berechtige den
Gläubiger zum Betreiben der Verwertung und zur Entgegennahme des Erlöses. Es berechtige ihn aber nicht dazu, den Erlös auch zu behalten, da das aus ihm abgeleitete rein
prozessuale Verwertungsrecht zur endgültigen materiellrechtlichen Zuordnung des Erlöses ungeeignet sei.
- Es erlösche zusammen mit dem Wegfall der Verstrickung.
Die öffentlich-rechtliche Theorie wird in der Literatur vielfach vertreten, so z.B. von T/P 803/8 und Zöller a.a.O., § 804 Rn. 2, vom BGH in der oben
genannten Entscheidung aber abgelehnt.
cc) Die gemischte privatrechtlich-öffentlich-rechtliche Theorie
wird in verschiedenen Varianten vertreten. Sie geht vom privatrechtlichen Charakter des Pfändungspfandrechts aus, ordnet den Verwertungsvorgang aber dem öffentlichen Recht zu. Grundlage und
Bedingung für die Wirksamkeit der Versteigerung ist daher die öffentlich-rechtliche Verstrickung des Pfandsache. Das Pfändungspfandrecht
- entsteht durch wirksame Verstrickung und Beachtung der wesentlichen Vollstreckungsvoraussetzungen und Verfahrensvorschriften
. - Es entsteht nicht an schuldnerfremden oder gläubigereigenen Sachen. Auch ein gutgläubiger
Erwerb nach § 1207 BGB ist nicht möglich, da es einem gesetzlichen Pfandrecht näher steht. § 185 Abs. 2 BGB ist hingegen anwendbar. - Es setzt zwar materiellrechtlich voraus, daß der Gläubiger Inhaber der titulierten Forderung ist. Diese materielle Voraussetzung ist für die
Entstehung des Pfändungspfandrechts aber vollstreckungsrechtlich modifiziert. Ausreichend ist danach bereits, daß der Gläubiger im Besitz eines rechtskräftigen Titels ist. - Es geht unter, wenn die Verstrickung beendet wird, ferner aber auch dann, wenn auch ein rechtsgeschäftliches oder
gesetzliches Pfandrecht untergehen würde – selbst, wenn die Verstrickung fortbesteht –, z.B. in den Fällen der §§ 1252 (Erlöschen der
titulierten Forderung), 1253 (Entfernung des Pfandsiegels durch Gläubiger oder Schuldner im Einverständnis des Gläubigers) oder 1255 BGB, durch gutgläubigen lastenfreien Erwerb (§§ 136, 135 Abs. 2, 932,
936 BGB) sowie gemäß § 88 InsO.
Die öffentlich-rechtliche und gemischte Theorie kommen zu den gleichen Ergebnissen
(so daß der Theorienstreit in der Regel nicht zu erörtern ist)
- bei der Ersteigerung: Auch der bösgläubige Ersteigerer erwirbt Eigentum an der Pfandsache, und zwar jeweils aufgrund der wirksamen
Verstrickung. Nach der öffentlich-rechtlichen Theorie reicht diese aus, da sie ohne weitere Voraussetzungen das Pfändungspfandrecht entstehen läßt und dieses Grundlage der Verwertung ist. Nach der gemischten
Theorie entsteht zwar kein Pfändungspfandrecht; Grundlage für die Verwertung ist aber allein die Verstrickung. -
Der Erlös aus der Versteigerung einer schuldnerfremden Sache
steht nach beiden Theorien nicht dem Gläubiger, sondern dem vormaligen Eigentümer zu: Nach der öffentlich-rechtlichen Theorie, weil sich aus dem Pfändungspfandrecht, das nur ein prozessuales Verwertungsrecht gibt, keine materiell-rechtliche Zuordnung des Erlöses ableiten läßt. Der Gläubiger hat den Erlös ohne Rechtsgrund erlangt und muß ihn nach Bereicherungsrecht (§ 812 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. BGB) an den früheren Eigentümer herausgeben. Nach der gemischten Theorie ist bereits kein Pfändungspfandrecht entstanden, so daß dem Gläubiger ein materielles Recht an der Pfandsache nicht zustand und er ebenfalls um den Erlös ungerechtfertigt bereichert ist.
Die öffentlich-rechtliche und gemischte Theorie kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen
(so daß die noch vertretenen Theorien zu erörtern sind und eine Entscheidung notwendig wird) vor allem dann, wenn es um auf den Zeitpunkt der Entstehung des
Pfändungspfandrechts ankommt. Beispiele:
- Die Parteien streiten um den Rang eines Rechts (§ 804 Abs. 3 ZPO). Etwa (nach Lackmann a.a.O., Rn. 176): GV pfändet für Gläubiger A
vor Zustellung des Titels. Danach: Anschlußpfändung für Gläubiger B. Danach: Titel des A wird zugestellt. Der Pfandgegenstand ist hier wirksam verstrickt worden, da der Zustellungsmangel – s.o. – nur zur
Anfechtbarkeit, nicht aber zur Nichtigkeit der Pfändung führt. Nach der öffentlich-rechtlichen Theorie ist das Pfändungspfandrecht des A bereits mit der Verstrickung entstanden und geht demjenigen des B vor.
Nach der gemischten Theorie hingegen ist mit der Verstrickung zunächst kein Pfändungspfandrecht entstanden, da mit der Zustellung eine wesentliche Vollstreckungsvoraussetzung fehlte. Zwar ist dieser Mangel
durch die spätere Zustellung geheilt worden, jedoch nur mit Wirkung ex nunc (vgl. T/P vor 704/59), so daß das Pfändungspfandrecht des B vorgeht. - Ähnliches gilt bei bevorstehender Insolvenz des Schuldners: Gemäß § 50 Abs. 1 InsO gibt das Pfändungspfandrecht dem Gläubiger ein Recht auf
abgesonderte Befriedigung in der Insolvenz des Schuldners, wenn er es mehr als einen Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (vgl. § 88 InsO) erworben hat. Auch hier hilft dem Gläubiger
nach der gemischten Theorie eine verspätete Heilung von Mängeln bei der Entstehung des Pfändungspfandrechts nicht mehr.
Gegen die öffentlich-rechtliche Theorie spricht, daß das Pfändungspfandrecht zumindest bei der Verwertung gegenüber der Verstrickung keine eigene Funktion
besitzt. Dies dürfte kaum mit der gesetzlichen Regelung des § 804 ZPO in Einklang zu bringen sein (vgl. Brox/Walker a.a.O., Rn. 392). Zudem weist die öffentlich-rechtliche Theorie Widersprüche auf: Es
widerspricht der Natur eines Pfandrechts, eine Verwertungsbefugnis – die nur vor dem Hintergrund, eine Befriedigung des Gläubigers zu erreichen, sinnvoll ist – unabhängig vom Recht auf den Erlös zu gewähren
(vgl. Jauernig a.a.O., § 16 II C 3).
4. Die Verwertungder Pfandsache geschieht im Regelfall durch öffentliche
Versteigerung (§ 814 ZPO). Die Voraussetzungen einer anderen Verwertung sind in § 825 ZPO geregelt. Für Geld, Wertpapiere sowie Gold- und Silbersachen gelten Sondervorschriften. Im einzelnen:
a) Versteigerung (§ 814 ZPO) Der GV gibt – ggf. nach
Verwertungsaufschub, §§ 813a, b ZPO – im Versteigerungstermin (§§ 814, 816 ZPO) den gewöhnlichen Verkaufswert (dazu die Schätzung nach § 813 ZPO) und das
daraus abgeleitete notwendige Mindestgebot (§ 817a Abs. 1 ZPO) bekannt. Sodann werden die Gebote abgegeben; Schuldner und Gläubiger dürfen mitbieten (vgl. § 816 Abs. 4 ZPO i.V.m. § 1239 BGB). Nach dem Zuschlag
liefert der GV dem Meistbietenden und Ersteher die Sache gegen Barzahlung ab (§ 817 Abs. 2 ZPO).
Die Ablieferung ist nach den heute noch vertretenen Theorien (s.o.) eine Eigentumszuweisung kraft Hoheitsaktes: Der Ersteher erwirbt originäres Eigentum an dem Pfandgegenstand. Dem
Eigentumserwerb steht daher in entsprechenden Fallgestaltungen weder entgegen, daß die Sache nicht dem Schuldner gehört hat, noch, daß der Ersteher bösgläubig war. Voraussetzungen für den Eigentumserwerb kraft Hoheitsaktes sind danach (vgl. auch T/P 817/9; BGH NJW 1987, 1880):
- Verstrickung, - Beachtung der wesentlichen Verfahrensvorschriften der Versteigerung (öffentliche Versteigerung gem. § 814 ZPO,
Barzahlung gem. § 817 Abs. 2 ZPO, Einhaltung bekanntgegebener Mindestgebotsgrenzen) und - Ablieferung der Sache durch den GV (§ 817 Abs. 2 ZPO).
b) Besondere Verwertungsformen
- gepfändetes Geld hat der GV grundsätzlich dem Gläubiger abzuliefern (§ 815 Abs. 1 ZPO); ausnahmsweise ist es zu hinterlegen
(§ 815 Abs. 2 ZPO). - gepfändete Wertpapiere sind nach § 821 ZPO zu verwerten (Abgrenzung zu § 831 ZPO!) - bei gepfändeten Gold- und Silbersachen
ist § 817a Abs. 3 ZPO zu beachten.
c) Anderweitige Verwertung nach § 825 ZPOauf Antrag von Gläubiger oder Schuldner
aa) durch den GV (§ 825 Abs. 1 ZPO):
- an einem anderen (vgl. § 816 Abs. 2 ZPO) Ort außerhalb des Vollstreckungsbezirks
- in anderer Weise, nämlich durch freihändigen Verkauf des GV (Hoheitsakt) oder Eigentumszuweisung
bb) durch Beschluß des Vollstreckungsgerichts (§ 825 Abs. 2 ZPO):
- Versteigerung durch eine andere Person als den GV (z.B. Auktionator). Dieser handelt auch dann, wenn es sich um einen privaten, öffentlich bestellten Auktionator handelt, nicht hoheitlich, so daß
die §§ 433, 929 BGB gelten. Bei schuldnerfremden Sachen ist ein Erwerb nach § 1244 BGB möglich (vgl. dazu BGHZ 119, 75).
Probleme entstehen im Anwendungsbereich des Verbraucherkreditgesetzes, das durch die anderweitige Verwertung nicht umgangen werden darf.
Beispiel: Der Abzahlungskäufer gerät mit zwei aufeinander folgenden Raten in Zahlungsverzug; die Nachfristsetzung des Abzahlungsverkäufers gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VerbrKrG bleibt erfolglos. Daraufhin
erwirkt der Abzahlungsverkäufer gegen ihn wegen des Restkaufpreises einen Zahlungstitel und vollstreckt in die Abzahlungssache. Der Abzahlungsverkäufer (= Gläubiger) soll nun nicht durch eine Verwertung – egal,
ob nach allgemeinen Regeln, §§ 814 ff. ZPO, oder nach § 825 ZPO – den Verbraucherschutz nach § 13 Abs. 3 VerbrKrG umgehen können. Deshalb greift die dort enthaltene Rücktrittsvermutung ein (vgl. P 13 VerbrKrG/10
sowie im einzelnen Bülow, VerbrKrG, 3. Aufl., § 13 Rn. 43), nach h.M. allerdings nur unter den im Beispielsfall erfüllten Voraussetzungen der §§ 13 Abs. 1, 12 Abs. 1 Satz 1 VerbrKrG (vgl. P 13 VerbrKrG/11; Bülow
a.a.O., § 13 Rn. 37). Die Verwertung der Abzahlungssache ist daher als Rücktritt anzusehen. Der Abzahlungskäufer braucht sie nur unter den Voraussetzungen der §§ 13 Abs. 2 VerbrKrG, 348 BGB geschehen zu lassen.
Umstritten ist, wie dieser Schutz durchzusetzen ist, wenn der Gläubiger nach § 825 ZPO die Eigentumszuweisung an sich beantragt:
- Vereinzelt wird vertreten, die Zuweisung sei hier unzulässig (z.B. LG Krefeld MDR 1964, 1013). - Nach a.A. soll die Zuweisung nur dann zu versagen sein, wenn Ansprüche des Schuldners nach §§ 13 Abs. 2 VerbrKrG, 346 ff. BGB,
die im Verfahren nach § 825 ZPO zu berücksichtigen seien, die Ansprüche des Gläubigers zu übersteigen drohten (z.B. LG Bielefeld MDR 1970,
337). - Nach h.M. ist die Einwendung des Schuldners, ihm seien nach §§ 13 Abs. 2 VerbrKrG, 346 ff. BGB die
bereits geleisteten Kaufpreisraten zurückzuzahlen, eine materielle Einwendung, die der Schuldner nur mit der Vollstreckungsgegenklage geltend machen kann (§ 767 ZPO), der GV also nicht zu berücksichtigen hat
(vgl. z.B. OLG München MDR 1969, 60; LG Berlin MDR 1974, 1025; Zöller a.a.O., § 825 Rn. 14; Musielak a.a.O., § 817 Rn. 8; Bülow a.a.O., § 13 Rn. 43;
Brox/Walker a.a.O., Rn. 443; Lackmann a.a.O., Rn. 189). Streitig ist weiter, zu welchem Zeitpunkt
die Rücktrittsfiktion eintritt. Nach einer Ansicht ist dies erst der Zeitpunkt der Ablieferung der Sache nach Zuschlagserteilung oder Eigentumszuweisung gem. § 825 ZPO (so z.B. BGHZ 15, 241, 249; Zöller a.a.O., § 817 Rn. 15; Brox/Walker a.a.O., Rn. 439), während andere bereits auf den Zeitpunkt der Wegnahme der Sache durch den GV (z.B. P 13 VerbrKrG/10; Lackmann a.a.O., Rn. 189) oder den Antrag des Kreditgebers nach § 825 ZPO (vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 189) abstellen. Jedenfalls aber darf ein später Zeitpunkt des Eingreifens der Rücktrittsfiktion nicht dazu führen, daß eine Vollstreckungsgegenklage dem Schuldner wegen des bereits eingetretenen Besitzverlustes der Sache, ohne die Zug um Zug zu leistende Kaufpreisrückzahlung erhalten zu haben, nichts mehr hilft. Deshalb erscheint es sachgerecht, ihm die Einrede der §§ 320, 348 BGB mit der Vollstreckungsgegenklage bereits
vor
dem Eintritt der Rücktrittsfiktion, mit der er erst den materiellen Gegenanspruch erhält, zu geben, d.h. die bevorstehende Rücktrittswirkung ausreichen zu lassen (vgl. Musielak a.a.O., § 817 Rn. 8 m.w.N.). Sein Antrag lautet dann darauf, die Zwangsvollstreckung aus dem Kaufpreistitel in die Kaufsache nur Zug um Zug gegen Zahlung der dem Schuldner gemäß §§ 13 Abs. 2 VerbrKrG i.V.m. §§ 346 ff. BGB zustehenden Ansprüche für zulässig zu erklären (vgl. z.B. Zöller a.a.O., § 817 Rn. 15; Musielak a.a.O., § 817 Rn. 8; Brox/Walker a.a.O., Rn. 440).
5. Auskehr des Erlöses und Verteilungsverfahren
a) Die Auskehr des Erlöses Nach Durchführung der Verwertung zieht der GV die
Versteigerungskosten ab und zahlt den Erlös, soweit er dem Gläubiger zusteht, an diesen aus. Einen evtl. Überschuß erhält der Schuldner. Zu beachten ist die dingliche Surrogation (§ 1247 Satz 2 BGB analog): Die Rechte an der versteigerten Sache setzen sich am Erlös fort. Der Eigentümer der
Pfandsache ist also Eigentümer des Erlöses; der Inhaber des Pfändungspfandrechtes an der Sache hat jetzt ein Pfändungspfandrecht am Erlös (vgl. auch T/P 804/5; 819/1).
Auch die Auszahlung des Erlöses ist wie die Ablieferung des Pfandgegenstandes (s.o.) Eigentumszuweisung kraft Hoheitsaktes. Für den Erwerb des Eigentums
am Erlös fehlt bei der Versteigerung einer schuldnerfremden Sache jedoch der Rechtsgrund (s.o.). Zur Gefahrtragung, wenn der GV den Erlös verliert oder unterschlägt, vgl. § 819 ZPO (Schuldner muß nicht erneut
zahlen). b) Das Verteilungsverfahrenkann sich bei
einer Pfändung für mehrere Gläubiger der Verwertung anschließen: Mehrere Gläubiger werden in der Reihenfolge ihres Ranges (§ 804 Abs. 3 ZPO) befriedigt. Reicht der Erlös nicht für alle Gläubiger und können diese
sich nicht auf eine anderweitige Verteilung einigen, kann einer der nachrangigen Gläubiger die anderweitige, d.h. nicht der Rangfolge entsprechende Verteilung beantragen. Der GV hat nunmehr den Erlös zu
hinterlegen und dies dem Vollstreckungsgericht anzuzeigen (§ 827 Abs. 2 ZPO); das Verteilungsverfahren schließt sich an. Dieses ist in den §§ 872 ff. ZPO geregelt. Die Gläubiger haben ihre Forderungen bei dem
zuständigen Amtsgericht anzumelden, das einen Teilungsplan aufstellt. Diesem kann ein Gläubiger im Verteilungstermin widersprechen, woraufhin er, wenn sein Widerspruch nicht anerkannt wird, innerhalb eines
Monats die Widerspruchsklage nach § 878 ZPO (h.M.: prozessuale Gestaltungsklage) erheben kann. Näheres z.B. bei T/P und Lackmann a.a.O., Rn. 373 ff.
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