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Fahrnisvollstreckung

Die Fahrnisvollstreckung (§§ 808-827 ZPO)

 

1. Allgemeines

 

Durchführung: Zuständig ist der Gerichtsvollzieher (GV), der die Sache in Besitz nimmt,
§ 808 Abs. 1 ZPO.

 

a) Vor der Vollstreckung hat der GV zu prüfen, ob die Voraussetzungen der ZV (s.o. A VIII) gegeben sind. Insbesondere:

 

Der Antrag (§ 753 ZPO: “Auftrag”) kann – schriftlich oder mündlich – vom Gläubiger oder einem Vertreter gestellt werden und begründet ein öffentlich-rechtliches Verhältnis zum GV. Der Gerichtsvollzieher ist selbständiges Organ der Rechtspflege (“Amtstheorie”) und handelt in eigener Verantwortung. Er ist nicht Vertreter des Gläubigers und nicht dessen Erfüllungsgehilfe. Weisungsbefugnisse des Gläubigers gegenüber dem GV bestehen nur im Rahmen der Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher (GVGA), vgl. T/P 753/15. Für ein evtl. Verschulden des GV haftet nicht der Gläubiger, sondern im Rahmen von Art. 34 GG, § 839 BGB der Staat.

 

Die örtliche Zuständigkeit des GV ergibt sich aus der Gerichtsvollzieherordnung (GVO). Ein Verstoß gegen die funktionelle Zuständigkeit des GV führt – anders als ein solcher gegen die örtliche Zuständigkeit – zur Nichtigkeit der Vollstreckungsmaßnahme.

 

b) Vor der Pfändung hat der GV den Schuldner zur freiwilligen Leistung aufzufordern (§§ 754 ZPO, 105 Nr. 2 GVGA). Zahlt der Schuldner, erhält er vom GV die vollstreckbare Ausfertigung nebst einer darauf gesetzten Quittung (§ 757 Abs. 1 ZPO) ausgehändigt.

 

Streitig ist, ob der GV bei der Entgegennahme freiwilliger Leistungen ebenfalls hoheitlich handelt (Amtstheorie, so z.B. Zöller a.a.O., § 753 Rn. 4; Musielak a.a.O., § 815 Rn. 5; Brox/Walker a.a.O., Rn. 314) oder insoweit Vertreter des Gläubigers ist (Vertretertheorie, so z.B. T/P 815/4; Jauernig a.a.O., § 8 II 1 c). Praktische Bedeutung: Wird der Schuldner frei, wenn das von ihm freiwillig dem GV übergebene Geld beim Gläubiger nicht ankommt? Nach der Vertretertheorie ja, denn GV nimmt Übereignungsangebot des Schuldners als Vertreter des Gläubigers an und erhält Besitz als Besitzmittler des Gläubigers (also Übereignung nach § 929 Satz 1 BGB). Nach der Amtstheorie vollzieht sich der Eigentumsübergang zwar erst durch die Übergabe (= Zuweisung) des Geldes vom GV an den Gläubiger (Hoheitsakt). Dennoch vertreten auch einige Befürworter der Amtstheorie das Freiwerden des Schuldners, indem sie
§ 815 Abs. 3 ZPO analog anwenden (so z.B. Brox/Walker Rn. 314: nicht einzusehen, warum Sch. bei freiwilliger Leistung schlechter stehen soll als bei zwangsweiser Wegnahme, wo § 815 Abs. 3 ZPO direkt gilt; Musielak a.a.O., § 815 Rn. 5; Lackmann a.a.O., Rn. 147; dafür sprechen sich auch T/P 815/4 und Jauernig a.a.O., § 8 II 1 c aus; a.A. – kein Freiwerden – aber z.B. Zöller a.a.O.,
§ 755 Rn. 4).

 

2. Durchführung der Pfändung

 

Nach ganz oder teilweise vergeblicher Aufforderung beginnt der GV unter Beachtung der besonderen Vorschriften der Gerichtsvollzieherpfändung mit der Pfändung (Fehler führen in der Regel zur Anfechtbarkeit der Pfändung gem. § 766 ZPO, in Ausnahmefällen auch zur Nichtigkeit).

 

Die Pfändung setzt danach über die allgemeinen Voraussetzungen der ZV voraus:

 

- Vorgehen im Zugriffsbereich der Pfändung

- Vorgehen in der gesetzlich vorgeschriebenen Art und Weise.

 

Dazu im einzelnen:

 

a) Der Zugriffsbereich für die Pfändung

 

    aa)  Gegenstand der Vollstreckung

     

      sind körperliche Sachen (§ 808 Abs. 1 ZPO), d.h. bewegliche Sachen (Abgrenzung zur Immobiliarvollstreckung). Zu den beweglichen Sachen zählen auch Scheinbestandteile
      (§ 95 BGB) eines Grundstücks.

       

        (1)  Wichtige Einschränkung: Keine Pfändung von beweglichen Sachen, die im Haftungsverband der Hypothek stehen (§ 865 ZPO) .

         

        Die Voraussetzungen des § 865 ZPO sind gegeben, wenn die bewegliche Sache zum Haftungsverband der Hypothek gehört, d.h. in den Haftungsverband gelangt (§ 1120 BGB) und nicht wieder aus diesem ausgeschieden ist (Enthaftung, §§ 1121, 1122 BGB). Unerheblich ist insoweit, ob tatsächlich eine Hypothek besteht; vielmehr sind die Voraussetzungen der §§ 1120 ff. BGB abstrakt zu prüfen, da Sinn und Zweck des § 865 ZPO die Erhaltung der wirtschaftlichen Einheit zwischen Grundstück und mithaftenden Gegenständen ist (h.M.; vgl. Brox/Walker a.a.O., Rn. 216; Musielak a.a.O., § 865 Rn. 6; Jauernig a.a.O., § 22 II 3; vgl. auch T/P 865/2: “frei geworden ist oder wäre ”). Zubehör darf dann nicht gepfändet werden (§ 865 Abs. 2 Satz 1 ZPO), während sonstige zum Haftungsverband gehörende Gegenstände, d.h. vom Boden getrennte Erzeugnisse und sonstige Bestandteile (vgl. § 1120 BGB) nur vor der Beschlagnahme gepfändet werden dürfen (§ 865 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Die Beschlagnahme erfolgt durch Anordnung der Zwangsversteigerung (§§ 20, 21 ZVG; vom Boden getrennte Erzeugnisse sowie Miet- und Pachtzinsforderungen werden gemäß § 21 Abs. 1, 2 ZVG nicht erfaßt!) oder Anordnung der Zwangsverwaltung (§§ 146, 151 ZVG; hier werden anders als bei Anordnung der Zwangsversteigerung auch die in § 21 Abs. 1 und 2 ZVG bezeichneten Gegenstände erfaßt, vgl.
        § 148 Abs. 1 Satz 1 ZVG!
        ).

       

        Wenn der GV entgegen dem Verbot des § 865 ZPO pfändet, ist streitig, ob die Vollstreckungsmaßnahme nichtig oder nur gemäß § 766 ZPO anfechtbar ist. Wegen der Schwere des Verstoßes nehmen z.B. RGZ 153, 257, OLG München MDR 1957, 428 und Zöller/Stöber a.a.O., § 865 Rn. 11 Nichtigkeit der Vollstreckungsmaßnahme an, so daß nicht einmal eine Verstrickung (s. dazu u.) entsteht. Der BGH hat diese Frage in NJW 1988, 2789 offen gelassen. Die überwiegende Ansicht in der Literatur hält die Pfändung dagegen nur für rechtswidrig und damit anfechtbar (vgl. z.B. T/P 865/5; Musielak a.a.O., § 865 Rn. 10; Brox/Walker a.a.O., Rn. 207; Jauernig a.a.O., § 22 II 3; Lackmann a.a.O., Rn. 259). Hierfür spricht, daß nur ein relativer Zuständigkeitsmangel vorliegt (grundsätzlich darf der GV bewegliche Sachen pfänden), Verstöße gegen spezielle Pfändungsverbote auch in anderen Fällen (§ 811 ZPO) nur zur Anfechtbarkeit führen und der GV bei der Pfändung kaum zu einer umfangreichen und rechtlich nicht unproblematischen Prüfung in der Lage sein wird (vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 259).

       

        (2) Erweiterung des Zugriffsbereichs: Früchte auf dem Halm (§ 810 ZPO; unbewegliche Sachen) und in Orderpapieren verbriefte Forderungen
        (§ 831 ZPO; gilt nur für die Pfändung, nicht für die Verwertung).

     

    bb) Gewahrsam

     

      Der GV darf nur solche Sachen (s.o.) pfänden, die sich im Gewahrsam des Schuldners oder eines herausgabebereiten Dritten befinden (§§ 808, 809 ZPO).

       

      (1) Gewahrsam des Schuldners (§ 808 ZPO)

       

        Grundsätzlich dient der Befriedigung des Gläubigers das nach materiellem Recht festzustellende Vermögen des Schuldners. Da aber der GV meist nicht ohne weiteres zu einer dahingehenden eingehenden Überprüfung in der Lage ist, dagegen aber die Gewahrsamsverhältnisse leicht und schnell überprüfen kann und nach allgemeiner Lebenserfahrung der Gewahrsamsinhaber häufig auch Eigentümer einer Sache ist, knüpft die ZPO bei der Fahrnisvollstreckung nicht an das Eigentum, sondern an den Gewahrsam des Schuldners an.

         

        Wichtige Ausnahmen, bei deren Vorliegen der GV die materielle Rechtslage zu berücksichtigen hat:

         

        - Für den GV ist offensichtlich, daß die Sache nicht zum Schuldnervermögen gehört (hier ist die nach dem Gesetzeszweck grundsätzlich zu vermeidende eingehende Überprüfung der Eigentumsverhältnisse durch den GV gerade nicht notwendig; Bsp.: Kundenfahrzeuge in einer Reparaturwerkstatt).

         

        - Der Schuldner haftet nach dem Inhalt des Titels nicht mit dem eigenen Vermögen, sondern einem seiner Verwaltung unterstehenden Drittvermögen (Bsp.: Insolvenzverwalter, Testamentsvollstrecker).

         

        (a) Gewahrsam als tatsächliche Sachherrschaft ist enger als der Besitzbegriff des BGB zu verstehen und entspricht in etwa dem unmittelbaren Besitz (§ 854 BGB). Mittelbarer Besitz (§ 868 BGB), Besitzdienerschaft (§ 855 BGB) und fiktiver Erbenbesitz (§ 857 BGB) reichen deshalb nicht aus (vgl. T/P 808/3). Bei juristischen Personen kommt es auf den Gewahrsam der Organe an (vgl. die Regeln zum Organbesitz); auch bei sonst gesetzlich Vertretenen ist auf den Gewahrsam des Vertreters abzustellen, der Eigengewahrsam des vertretenen Schuldners darstellt (T/P 808/6).

         

        (b) Bei Ehegatten und eingetragenen Lebensgemeinschaften nach dem LPartG ist die Gewahrsamsvermutung des § 739 ZPO zu beachten:

         

        Nach § 1362 BGB wird zugunsten der Gläubiger beider Ehepartner widerlegbar vermutet, daß die im Besitz eines oder beider Ehegatten befindlichen beweglichen Sachen dem Ehegatten gehören, der Schuldner ist. § 739 Abs. 1 ZPO knüpft hieran an und stellt die Vermutung auf, daß – soweit die Vermutung des § 1362 BGB reicht – nur der jeweilige Schuldner Gewahrsamsinhaber ist, d.h. nach § 808 ZPO zu pfänden ist und es nicht auf die Herausgabebereitschaft des anderen Ehegatten ankommt. Die Vermutung des § 739 Abs. 1 ZPO ist nach h.M. (vgl. T/P 739/9; P 1362/10) unwiderlegbar und greift selbst dann ein, wenn die Vermutung des § 1362 BGB widerlegt wird, denn der GV soll die Eigentumsverhältnisse, an die § 1362 BGB anknüpft, bei der Pfändung ja grundsätzlich nicht untersuchen (s.o.). Dem Ehegatten, der nicht Schuldner ist, bleibt dann nur die Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO), um die Vermutung des § 1362 BGB zu widerlegen.

         

        Entsprechendes gilt nach dem neuen Abs. 2 des § 739 ZPO i.V.m. § 8 Abs. 1 des zum 1. August 2001 in Kraft getretenen Lebenspartnerschaftsgesetzes (LPartG) für eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften.

         

        Streitig ist eine analoge Anwendung der §§ 739 ZPO, 1362 BGB auf eheähnliche Lebensgemeinschaften. Für eine analoge Anwendung z.B. T/P 739/7 und – neuerdings – P 1362/1, vor 1297/28; dagegen z.B. OLG Köln NJW 1989, 1737; LG Frankfurt/Main NJW 1986, 729; Zöller a.a.O., § 739 Rn. 13; Musielak a.a.O., § 739 Rn. 3; Jauernig a.a.O., § 17 II; Brox/Walker a.a.O. Rn. 241 mit dem nicht leicht von der Hand zu weisenden Argument, der GV müsse sonst im Einzelfall prüfen, ob tatsächlich eine eheähnliche Lebensgemeinschaft besteht und eine analoge Anwendung des § 739 ZPO gerechtfertigt ist und hierzu Wertungen vornehmen, die er in der Eile des Vollstreckungsverfahrens nicht treffen könne. Nach der Änderung des § 739 ZPO durch Einfügung des neuen Abs. 2 mit dem Inkrafttreten des LPartG spricht gegen eine analoge Anwendung auch, daß der Gesetzgeber, dem das Problem bekannt war, den Anwendungsbereich bei der Änderung nur auf eingetragene Partnerschaften nach dem LPartG und gerade nicht auf eheähnliche Lebensgemeinschaften erweitert hat.

         

        Wegen der nach überwiegender Ansicht fehlenden analogen Anwendbarkeit und einer daraus folgenden Schlechterstellung von Eheleuten gegenüber eheähnlichen Lebensgemeinschaften halten einige Autoren die §§ 739 ZPO, 1362 BGB für verfassungswidrig (z.B. Jauernig a.a.O., § 17 II).

 

        (2) Gewahrsam des Gläubigers oder eines zur Herausgabe bereiten Dritten (§ 809 ZPO)

         

        Die Pfändung von im Gewahrsam des Gläubigers befindlichen Sachen ist gemäß § 809, 1. Alt. ZPO möglich und in der Regel unproblematisch.

         

        Bewegliche Sachen, die zwar im Eigentum des Schuldners stehen, sich aber im Gewahrsam eines Dritten (d.h. nicht des Gläubigers oder Schuldners; Mitgewahrsam des Dritten reicht zur Anwendbarkeit von
        § 809 ZPO aber aus) befinden, können ohne Duldungstitel gegen den Dritten nur gepfändet werden, wenn dieser zu Herausgabe bereit ist
        (§ 809, 2. Alt. ZPO).

         

        Die Herausgabebereitschaft muß sich nicht nur auf die Pfändung (diese läßt u.U. ein Belassen der gepfändeten Sache im Gewahrsam des Dritten zu, § 809 i.V.m. § 808 Abs. 2 ZPO), sondern auch auf die Verwertung beziehen.

         

        Streitig ist, ob der GV trotz fehlender Herausgabebereitschaft des Dritten pfänden darf, wenn Schuldner und Dritter vor der Pfändung zur Vereitelung der Vollstreckung die Sache in kollusivem Zusammenwirken in den Gewahrsam des Dritten verbracht haben, der nunmehr die Herausgabe an den GV ablehnt. Zum Teil wird die fehlende Herausgabebereitschaft hier für unbeachtlich gehalten (z.B. LG Berlin DGVZ 1969, 71; LG Stuttgart DGVZ 1969, 168; AG Flensburg DGVZ 1995, 60; Zöller a.a.O., § 809 Rn. 5). Nach der Gegenansicht hat in diesen Fällen die Pfändung wegen der fehlenden Herausgabebereitschaft grundsätzlich zu unterbleiben (z.B. T/P 809/4; Musielak a.a.O., § 809 Rn. 5; Jauernig a.a.O., § 17 III; Brox/Walker a.a.O., Rn. 254). Für diese Gegenansicht spricht, daß der GV bei der Pfändung ohnehin nicht die Aufgabe hat, materielle Rechtsfragen zu prüfen und subjektive Tatsachen aufzuklären, sondern sich auf leicht und sicher erkennbare äußere Tatsachen verlassen können muß. Danach reicht nicht der Verdacht einer beabsichtigten Vollstreckungsvereitelung, sondern diese muß dem GV offensichtlich sein (Bsp. nach Brox/Walker und Musielak, jeweils a.a.O.: Dritter räumt die Kollusion gegenüber dem GV selbst ein; oder: kollusives Zusammenwirken geschieht in Anwesenheit und vor den Augen des GV). Erst dann ist nach dieser Ansicht die Verweigerung der Herausgabebereitschaft rechtsmißbräuchlich (§ 242 BGB) und damit unbeachtlich.

         

        Auch der Gerichtsvollzieher selbst kann Drittgewahrsamsinhaber gemäß § 809 ZPO sein, nämlich, wenn er die Sache zuvor bereits für einen anderen Gläubiger gepfändet hat und nunmehr in seiner Pfandkammer verwahrt oder als Sequester in Gewahrsam hat. Als selbständiges Organ der Rechtspflege darf der GV, der den Gewahrsam in dieser Funktion erlangt hat, nun aber nicht nach freiem Belieben seine Herausgabebereitschaft verweigern oder erklären. Vielmehr hat er zu prüfen, ob die Pfändung zulässig gewesen wäre, bevor er den Gewahrsam erlangt hat. Darüber hinaus hat er zu prüfen, ob die Pfändung dem Zweck, zu dessen Verfolgung er Gewahrsam erlangt hat, nicht widerspricht (vgl. i.e. Brox/Walker a.a.O., Rn. 250). Liegen beide Voraussetzungen vor, hat er (nochmals) zu pfänden. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, so darf der GV nicht auf der Grundlage der eigenen Herausgabebereitschaft die Zweitpfändung durchführen (z.B.: bereits Erstpfändung nach § 809 ZPO bei einem Dritten  Herausgabebereitschaft bezog sich nur auf den Erstgläubiger; GV darf Zweitpfändung nur vornehmen, wenn der Dritte auch für eine Vollstreckung zugunsten des zweiten Gläubigers herausgabebereit ist; oder: GV hat die Sache als Sequester in Vollziehung einer einstweiligen Verfügung [eV] zur Sicherung eines Herausgabeanspruchs des Antragstellers der eV in Gewahrsam  GV hat die Herausgabebereitschaft zu versagen und die Pfändung zu verweigern, da er sonst dem Zweck der eV, den Herausgabeanspruch des Antragstellers zu sichern, zuwiderhandeln würde).

         

    cc) Keine speziellen Vollstreckungshindernisse (§§ 811, 811c ZPO)

     

      Zu den allgemeinen Vollstreckungshindernissen, die auch in der Fahrnisvollstreckung gelten, s.o. A VIII 4. Besondere Vollstreckungshindernisse, die zusätzlich und nur in der Fahrnisvollstreckung gelten, sind die Pfändungsverbote gemäß §§ 811, 811c ZPO. Zu weiteren Pfändungsverboten vgl. Fn. 3 zu § 811 ZPO im Schönfelder.

       

      Eine gegen ein Pfändungsverbot verstoßende Pfändung ist mit der Erinnerung gemäß § 766 ZPO anfechtbar. Wird eine unpfändbare Sache bis zur Entscheidung über die Erinnerung pfändbar (z.B. Aufgabe der Erwerbstätigkeit bei § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO), ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen, so daß die Erinnerung des Schuldners unbegründet wird (arg. Heilbarkeit von Vollstreckungsmängeln, die nicht zur Nichtigkeit führen; s. auch § 811d ZPO; vgl. T/P 811/3, 766/23). Streitig ist, ob im umgekehrten Fall – Voraussetzungen eines Pfändungsverbots treten erst nach der Pfändung ein – ebenfalls auf den Zeitpunkt der Entscheidung (so z.B. Musielak a.a.O., § 811 Rn. 7; Brox/Walker a.a.O., Rn. 295; Lackmann a.a.O., Rn. 145) oder aber auf den Zeitpunkt der Pfändung (so die wohl h.M.; vgl. z.B. LG Berlin Rpfleger 1977, 262; LG Bochum DGVZ 1980, 37; AG Sinzig DGVZ 1990, 95; T/P 811/3; Zöller a.a.O., § 811 Rn. 9; Jauernig a.a.O., § 32 II E) abzustellen ist. Für ein Abstellen auf den Zeitpunkt der Pfändung spricht, daß der Schuldner die Unpfändbarkeitsvoraussetzungen sonst durch nachträgliche Manipulationen herbeiführen könnte, indem er z.B. nach Pfändung eines Fernsehgerätes seinen Zweitfernseher veräußerte. Die Befürworter eines Abstellens auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Erinnerung wollen Manipulationen dadurch entgegenwirken, daß sie die Beweislast dafür, die nachträgliche Unpfändbarkeit nicht mißbräuchlich herbeigeführt zu haben, dem Schuldner auferlegen.

       

      Ein Verzicht des Schuldners auf den Pfändungsschutz des § 811 ZPO vor der Pfändung ist nach ganz überwiegender Ansicht unwirksam (vgl. T/P 811/5). Der Vollstreckungsschutz steht nämlich nicht zur Disposition des Schuldners, denn er dient nicht nur seinem Interesse, sondern besteht im Hinblick auf das Sozialstaatsprinzip und dient auch der Vermeidung von Sozialhilfeansprüchen (vgl. Musielak a.a.O., § 811 Rn. 8).

       

      Umstritten ist, ob auch ein Verzicht des Schuldners während oder nach der Pfändung unwirksam ist (so die h.M., z.B. BayObLG NJW 1950, 697; AG Sinzig NJW-RR 1987, 757; T/P 811/5; Zöller a.a.O., § 811 Rn. 10; Musielak a.a.O., § 811 Rn. 9; Brox/Walker a.a.O., Rn. 304; Lackmann a.a.O., Rn. 107) oder zu beachten ist (so z.T. die frühere Rspr., vgl. die Nachweise bei Zöller a.a.O., § 811 Rn. 10; ferner aus der Literatur z.B. Jauernig a.a.O., § 32 II A). Für die h.M. spricht, daß der Staat da, wo er einwirken kann, die eigene Existenzvernichtung des Schuldners nicht noch durch staatliche Vollstreckungsmaßnahmen fördern und der Gerichtsvollzieher den Schuldner nicht mit dessen Einverständnis zum “Sozialfall” machen darf (vgl. Musielak a.a.O.,
      § 811 Rn. 9).

       

      Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn der Schuldner den Verzicht auf den Pfändungsschutz von vornherein mit der Absicht erklärt hat, den Gläubiger zu schädigen. In diesem Fall handelt der Schuldner arglistig und kann sich nicht auf § 811 ZPO berufen (vgl. BayObLG a.a.O.).

       

      Problematisch ist, welche Rolle im Rahmen des § 811 ZPO – außerhalb des neuen § 811 Abs. 2 ZPO, der in bestimmten Fällen den Vorbehaltseigentümer privilegiert – der Eigentumslage zukommt. Praktisch wird dies z.B. bei einem fälligen und einredefreien Herausgabeanspruch des Gläubigers gegen den Schuldner in Bezug auf eine bestimmte bewegliche Sache: Der Gläubiger, der Eigentümer (z.B. Sicherungseigentümer, nicht aber Vorbehaltseigentümer) einer beweglichen Sache ist, die sich – ohne daß dieser ein Besitzrecht hat – im Besitz des Schuldners befindet, hat gegen den Schuldner in anderer Sache einen Zahlungstitel erwirkt. Er will diese Sache bei dem Schuldner pfänden lassen, der zutreffend einwendet, die Sache sei gemäß § 811 Abs. 1 ZPO unpfändbar. Eine Ansicht läßt hier gegenüber dem Pfändungsverbot den Arglisteinwand zu und begründet dies damit, der Gläubiger habe aufgrund des unstreitigen materiellen Herausgabeanspruchs auch die Möglichkeit gehabt, sich einen Herausgabetitel zu verschaffen – dieser wird nach § 883 ZPO vollstreckt;
      § 811 ZPO gilt dort nicht, da keine Vollstreckung wegen einer Geldforderung in körperliche Sachen vorliegt – und so die Herausgabe ohne Rücksicht auf das Pfändungsverbot zu erzwingen (so z.B. OLG München MDR 1971, 580; AG Offenbach NJW 1987, 387). Die Gegenansicht lehnt ein derartiges Vorgehen wegen unzulässiger Vermischung von Fahrnisvollstreckung und Herausgabevollstreckung ab. Die Entscheidung über den Herausgabeanspruch obliege allein dem hierfür zuständigen Prozeßgericht und dürfe ihm nicht durch eine faktische Übertragung auf GV und Vollstreckungsgericht entzogen werden; andernfalls könne der Gläubiger seinen Herausgabeanspruch – unter Wahrnehmung der für die Erwirkung eines Zahlungstitels geltenden Erleichterungen wie z.B. Mahnbescheid/Vollstreckungsbescheid – ohne entsprechenden Herausgabetitel durchsetzen (so z.B. OLG Hamm MDR 1984, 855; T/P 811/4; Zöller a.a.O.,
      § 811 Rn. 7; Musielak a.a.O., § 811 Rn. 5; Brox/Walker a.a.O., Rn. 299; Lackmann a.a.O., Rn. 132). Seit der Einfügung von § 811 Abs. 2 ZPO zum 1. Januar 1999 spricht für die letztgenannte Ansicht zudem die Absicht des Gesetzgebers, nur den Vorbehaltseigentümer in Bezug auf bestimmte Pfandsachen zu privilegieren.

       

      Die Austauschpfändung (§ 811a ZPO) setzt einen dahingehenden und nur in den Fällen des § 811b ZPO entbehrlichen Beschluß des Vollstreckungsgerichts voraus und ist deshalb weniger klasurrelevant.

       

 

b)  Der Pfändungsakt

 

    Hierbei hat der GV insbesondere die nachfolgend dargestellten Punkte zu beachten:

     

    aa) Inbesitznahme und Kenntlichmachung (§ 808 ZPO)

     

      Der GV hat die gepfändeten Sachen gem. § 808 Abs. 1 ZPO zunächst in Besitz zu nehmen. Zu diesem Zweck nimmt er nach § 808 Abs. 2 ZPO Geld, Kostbarkeiten und Wertpapiere an sich. Die Besitzergreifung an den übrigen beweglichen Sachen hat er durch die Kenntlichmachung mit einem Pfandsiegel (“Kuckuck”) oder einer Pfandanzeige kenntlich zu machen, wobei deutlich werden muß, welche Gegenstände im einzelnen von der Pfändung erfaßt sein sollen. Diese übrigen Gegenstände beläßt der GV beim Schuldner, wenn nicht – wie etwa in der Regel bei Kraftfahrzeugen, vgl. T/P 808/13 – hierdurch die Befriedigung des Gläubigers gefährdet wird (§ 808 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

       

      Für Fragen der §§ 861 und 935 BGB ist die Besitzlage von Bedeutung (vgl. dazu Brox/Walker a.a.O., Rn. 359, 360).

       

      Besitzlage, wenn die Sache beim Schuldner verbleibt:

      Schuldner - unmittelbarer Fremdbesitzer

      GV  - mittelbarer Fremdbesitzer 1. Stufe

      Gläubiger - mittelbarer Fremdbesitzer 2. Stufe

      Schuldner - mittelbarer Eigenbesitzer 3. Stufe

       

      Besitzlage, wenn der GV die Sache wegschafft:

      GV  - unmittelbarer Fremdbesitzer

      Gläubiger - mittelbarer Fremdbesitzer 1. Stufe

      Schuldner - mittelbarer Eigenbesitzer 2. Stufe

       

      Ein Verstoß gegen § 808 Abs. 2 Satz 2 ZPO macht die Pfändung nicht nur anfechtbar, sondern unheilbar nichtig. Bei späterem Unkenntlichwerden der Pfändung ohne Wissen und Wollen des GV besteht die Pfändung aber fort.

       

    bb) Durchsuchung

     

      Zur Durchführung der Pfändung darf der GV die Wohnung sowie Behältnisse des Schuldners durchsuchen, sich verschlossene Türen und Behältnisse öffnen lassen, bei Widerstand Gewalt anwenden und sich der Hilfe der Polizei bedienen (§ 758 ZPO). In den Fällen des § 759 ZPO sind Zeugen zuzuziehen.

       

      Bis zum Inkrafttreten der Änderungen durch die 2. Zwangsvollstreckungsnovelle durfte der GV nach der ihn gemäß § 31 Abs. 2 BVerfGG bindenden Entscheidung BVerfGE 51, 97 eine Wohnung wegen Art. 13 Abs. 2 GG außer bei Gefahr im Verzug nur auf richterliche Durchsuchungsanordnung durchsuchen. Eine dieser Entscheidung des BVerfG im wesentlichen folgende gesetzliche Regelung enthält nunmehr der seit dem 1. Januar 1999 geltende § 758a ZPO.

       

      Der GV hat den Schuldner vor der Durchsuchung über sein Widerspruchsrecht zu belehren. Unter Wohnung ist nach h.M. nicht nur der reine Wohnbereich zu verstehen, sondern der Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 13 GG folgend auch Geschäftsräume nebst Nebenräumen sowie das befriedete Besitztum (vgl. T/P 758a/7). Durchsuchung ist das ziel- und zweckgerichtete Suchen, um etwas aufzuspüren, was der Wohnungsinhaber von sich aus nicht offenlegen oder herausgeben will (vgl. BVerfGE 51, 97). Streitig ist, ob auch das Betreten der Wohnung zur Pfändung offenliegender Sachen eine Durchsuchung darstellt (bejahend z.B. Musielak a.a.O., § 758a Rn. 3; Lackmann a.a.O., Rn. 151; so sogar für den Fall, daß der GV zuvor bereits weiß, daß sich eine Sache, die er pfänden will, in den Räumen befindet, Brox/Walker a.a.O., Rn. 325; verneinend z.B. BFH NJW 1989, 855). Verweigert allerdings der Schuldner dem GV bereits den Zutritt zur Wohnung oder öffnet nicht, benötigt der GV in jedem Fall eine Durchsuchungsanordnung, um in die Wohnung zu gelangen. Das Eindringen in die Wohnung stellt zwar selbst noch kein Durchsuchen dar, geht der Durchsuchung aber zwangsläufig unmittelbar voran und steht daher mit ihr in untrennbarem Zusammenhang.

       

      Ist – bei Alleingewahrsam des Schuldners am Vollstreckungsobjekt – zur Durchsuchung das Durchschreiten fremden Gewahrsams notwendig (z.B. Flur des Vermieters, um in Zimmer des Mieters zu gelangen), so benötigt der GV hierzu weder die Einwilligung des Fremdgewahrsamsinhabers nach § 809 ZPO (Vollstreckungsobjekt steht im Alleingewahrsam des Schuldners, nicht des Dritten) noch eine richterliche Durchsuchungsanordnung gegenüber dem Dritten (bloßes Durchschreiten der Wohnung des Dritten ist noch keine Durchsuchung, sondern nur Eingriff nach Art. 13 Abs. 7 GG, der in § 758 ZPO eine hinreichende gesetzliche Grundlage hat).

       

      Will der GV in einer Wohnung oder Räumen pfänden, die im Mitgewahrsam mehrerer Bewohner stehen (z.B. Wohngemeinschaft), so haben die Mitgewahrsamsinhaber nach dem neuen § 758a Abs. 3 ZPO die Durchsuchung zu dulden.

       

      Die aktive Mitwirkung des Dritten bei der Durchsuchung (z.B.: Bankschließfach, in dem der Schuldner das Vollstreckungsobjekt aufbewahrt, kann nur unter gemeinsamer Verwendung eines Schlüssels des Schuldners und eines Schlüssels der Bank geöffnet werden; oder: Geld des Schuldners, der Aufsteller von Spielautomaten ist, befindet sich im Automat in einer Gaststätte; an dem Spielautomaten hat der Gastwirt Alleingewahrsam) läßt sich allerdings weder über § 758 ZPO noch über eine richterliche Durchsuchungsanordnung erzwingen. Vielmehr muß der Gläubiger sich den Anspruch des Schuldners gegen den Dritten auf Mitwirkung pfänden und überweisen lassen (dazu später) und sodann notfalls einklagen.

       

      Zur Pfändung zur Nachtzeit sowie an Sonn- und Feiertagen vgl. § 758a Abs. 4 ZPO, der an die Stelle des aufgehobenen § 761 ZPO getreten ist.

       

    cc) Anschlußpfändung (§ 826 ZPO)

       

      Eine bereits gepfändete Sache kann aus einem weiteren Titel des Gläubigers oder für einen anderen Gläubiger nochmals gepfändet werden. Dies kann entweder nach §§ 808, 809 ZPO durch eine weitere selbständige Pfändung oder aber unter den vereinfachten Voraussetzungen des § 826 ZPO geschehen. Die Anschlußpfändung nach § 826 ZPO setzt voraus, daß gegen denselben Schuldner vollstreckt wird, die Verstrickung (s.u.) aus der Erstpfändung zum Zeitpunkt der Anschlußpfändung noch fortbesteht und der GV ein neues Protokoll nach §§ 826, 762 ZPO erstellt. Eine nach § 809 ZPO für die Erstpfändung eingeholte Einwilligung des Dritten muß für die Anschlußpfändung erneut eingeholt werden (vgl. auch oben B I 2 a bb [2] a.E.).

       

    dd) Verbot der Überpfändung (§ 803 Abs. 1 Satz 2 ZPO) und zwecklosen Pfändung (§ 803 Abs. 2 ZPO)

       

      Der GV vergleicht den geschätzten voraussichtlichen Verwertungserlös mit der titulierten Forderung, wobei nachgewiesene Teilzahlungen zu berücksichtigen sind. Ist nur ein einziger zur Vollstreckung geeigneter Gegenstand vorhanden, so ist er auch bei deutlichem wertmäßigem Übersteigen der titulierten Forderung zu pfänden (vgl. T/P 803/16).

       

      Würde der geschätzte Verwertungserlös lediglich die Zwangsvollstreckungskosten decken, hat die Pfändung gemäß § 803 Abs. 2 ZPO zu unterbleiben.

       

      Exkurs: Das Verbot der Überpfändung wird ergänzt durch § 777 ZPO, der vom GV bei der Pfändung allerdings nicht zu beachten, sondern vom Schuldner nach § 766 ZPO geltend zu machen ist. Zweck des § 777 ZPO: Wie der Gläubiger nicht über den Wert seiner Forderung hinaus vollstrecken darf, soll ihm die Vollstreckung auch untersagt werden können, wenn er im Hinblick auf seine titulierte Forderung bereits hinreichend gesichert ist.

       

       

3.  Die Rechtswirkungen der Pfändung

(Verstrickung und Pfändungspfandrecht)

 

    a) Verstrickung

      ist eine Form der staatlichen Beschlagnahme und bedeutet, daß über die gepfändete Sache ein öffentlich-rechtliches Gewaltverhältnis zum Zweck der Zwangsvollstreckung besteht. Sie ist die Grundlage für alle nachfolgenden Vollstreckungsakte. Die Verstrickung nimmt dem Schuldner die Möglichkeit, durch weitere Verfügungen über die gepfändete Sache die Vollstreckung zu vereiteln. Er bleibt Eigentümer der gepfändeten Sache, darf über sie aber nicht mehr verfügen (vgl. Brox/Walker a.a.O., Rn. 361). Die Verstrickung ist strafrechtlich durch § 136 Abs. 1 StGB – Verstrickungsbruch – und zivilrechtlich durch das relative Veräußerungsverbot der §§ 135, 136 BGB geschützt.

       

      Wichtig: Fehlerhafte Pfändungsakte sind in der Regel nicht nichtig, sondern nur anfechtbar. Auch bei einer anfechtbaren Pfändung tritt aber Verstrickung des Pfandgegenstandes ein; nur nichtige Vollstreckungsakte können keine Verstrickung bewirken. Nichtigkeit liegt etwa vor, wenn ein Vollstreckungstitel schon der äußeren Form nach fehlt, ein funktionell unzuständiges Vollstreckungsorgan gepfändet hat, gegen ganz wesentliche Formvorschriften verstoßen worden, etwa bei § 808 ZPO die Besitzergreifung unterblieben oder nicht hinreichend kenntlich gemacht worden ist oder im Fall einer Anschlußpfändung bereits die Erstpfändung nicht zu einer Verstrickung geführt hat oder die Anschlußpfändung nicht ordnungsgemäß protokolliert worden ist.

       

      Die Verstrickung endet, wenn die Verwertung des Pfandgegenstandes beendet ist (dingliche Surrogation gem. § 1247 Satz 2 BGB beachten: an die Stelle des Pfandgegenstandes tritt der aus der Verwertung erzielte Erlös, der nunmehr selbst so lange verstrickt bleibt, bis er dem Gläubiger ausgehändigt worden ist, § 819 ZPO), der GV die Pfändung aufhebt, indem er die zur Verstrickung führenden Akte rückgängig macht (“Entstrickung”, nicht eigenmächtig, sondern nur auf Anweisung des Gläubigers oder des Vollstreckungsgerichts) oder ein Dritter die gepfändete Sache gemäß §§ 135 Abs. 2, 936 BGB gutgläubig lastenfrei erwirbt. Nach der Rechtsprechung von RG und BGH führt auch bereits die Freigabeerklärung des Gläubigers zur Entstrickung (§ 843 ZPO analog; der GV muß dann nicht mehr selbst die Pfändungsakte rückgängig machen); nach der h.M. in der Literatur scheidet hingegen eine analoge Anwendung des § 843 ZPO aus und der GV muß noch tätig werden (so z.B. auch T/P 803/11).

       

      Umstritten ist, ob der GV berechtigt ist, eine nach der Pfändung in den Gewahrsam eines Dritten gelangte Pfandsache dem Dritten gegen dessen Willen wieder wegzunehmen (“Verfolgungsrecht”). § 750 Abs. 1 ZPO steht einem solchen Verfolgungsrecht nicht entgegen, weil es nicht um den Beginn der Vollstreckung, sondern um deren Fortsetzung geht. Auch § 809 ZPO steht nicht entgegen, weil die Herausgabebereitschaft nur bei der Pfändung vorhanden sein muß, um die es bei der Verfolgung als weiterem Vollstreckungsakt nicht mehr geht.

       

      Eine Ansicht bejaht das Verfolgungsrecht, um eine schlagkräftige Vollstreckung zu gewährleisten und Vollstreckungsvereitelungen des Schuldners effektiv zu verhindern (so z.B. LG Berlin DGVZ 1959, 89; LG Köln MDR 1965, 213; LG Stuttgart MDR 1969, 675; LG Saarbrücken DGVZ 1975, 170; AG Flensburg DGVZ 1995, 60; T/P 809/8; Jauernig a.a.O., § 17 III). Als Ermächtigungsgrundlage wird z.T. auf § 808 Abs. 2 ZPO abgestellt; ganz überwiegend stützen die Befürworter des Verfolgungsrechts die Eingriffsbefugnis des GV unmittelbar auf seine auf der Verstrickung beruhende staatliche Verfügungsmacht. Konsequenz: Der GV kann die Pfandsache – unter Beachtung von Art. 13 Abs. 2 GG – auch von einem gutgläubigen Erwerber zurückholen, der sich dann mit der Drittwiderspruchsklage wehren und sein Eigentum geltend machen muß.

       

      Die Gegenansicht (z.B. AG Dortmund DGVZ 1974, 24; LG Bochum DGVZ 1990, 73; Zöller a.a.O., § 809 Rn. 3; Musielak a.a.O., § 808 Rn. 20; Brox/Walker a.a.O., Rn. 373; Lackmann a.a.O., Rn. 165) sieht für das Verfolgungsrecht hingegen keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage:
      § 758 ZPO, der die Zwangsbefugnisse des GV abschließend regele, gebe keine Befugnis zu Zwangsmaßnahmen gegen Dritte; auch sonst, etwa aus
      §§ 808, 809 ZPO, sei keine Ermächtigungsgrundlage erkennbar.

       

    b) Pfändungspfandrecht

       

      Gemäß § 804 Abs. 1 ZPO erwirbt der Gläubiger durch die Pfändung ein Pfandrecht an dem gepfändeten Gegenstand, das ihm “dieselben Rechte wie ein durch Vertrag erworbenes Faustpfandrecht” gibt (§ 804 Abs. 2, 1. HS ZPO). Umstritten ist, ob zur Begründung des Pfändungspfandrechts nur eine wirksame Verstrickung vorliegen muß (“öffentlich-rechtliche Theorie”) oder weitere materiellrechtliche Voraussetzungen hinzukommen müssen (“privatrechtliche Theorie”; “gemischte privatrechtlich-öffentlich-rechtliche Theorie”). Es handelt sich hierbei um eine theoretische Grundsatzfrage, zu der auch der BGH in der Entscheidung BGHZ 119, 75 ausführlich und umfassend den Streitstand dargestellt und Stellung bezogen hat, die aber nur in einzelnen Fallgestaltungen (s. dazu u. ) praktische Bedeutung hat und deshalb in einer Klausur nur dann näher – allerdings unter Anwendung praktischer Vernunft, denn Sie absolvieren das 2. Staatsexamen – erörtert werden sollte, wenn der Fall wirklich dazu Anlaß gibt (etwa bei unterschiedlichen Ergebnissen oder, wenn die Parteien die Streitfrage im Klausurtext ausdrücklich ansprechen; vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 166; ferner Stöber in Zöller a.a.O., § 804 Rn. 2, der eine nähere Kommentierung als nicht in den “Zöller” gehörend ablehnt).

       

      Deshalb nur zum Überblick im einzelnen (näher etwa Brox/Walker a.a.O, Rn. 379 ff.; Jauernig a.a.O., § 16 III):

       

      aa) Die privatrechtliche Theorie

        hielt vor dem Hintergrund der früher vorherrschenden Auffassung, die Zwangsvollstreckung stelle einen privatrechtlichen Vorgang dar, das Pfändungspfandrecht für die – neben dem vertraglichen und gesetzlichen Pfandrecht – dritte Art eines bürgerlich-rechtlichen Pfandrechts, dessen rechtsgeschäftliche Bestellung durch den Pfändungsakt ersetzt werde. Sie wurde vom Reichsgericht vertreten und war bis zu Beginn der 30er Jahre auch in der Literatur vorherrschend, wird heute aber nicht mehr vertreten.

         

      bb) Die öffentlich-rechtliche Theorie

        meint, das Pfändungspfandrecht richte sich allein nach öffentlichem Recht und habe mit den §§ 1204 ff. BGB daher nichts zu tun:

         

          - Es entstehe ohne weitere Voraussetzungen bereits mit einer wirksamen Verstrickung, also auch an schuldnerfremden Sachen oder dann, wenn die titulierte Forderung nach materiellem Recht nicht besteht (keine Akzessorietät).

           

          - Es berechtige den Gläubiger zum Betreiben der Verwertung und zur Entgegennahme des Erlöses. Es berechtige ihn aber nicht dazu, den Erlös auch zu behalten, da das aus ihm abgeleitete rein prozessuale Verwertungsrecht zur endgültigen materiellrechtlichen Zuordnung des Erlöses ungeeignet sei.

           

          - Es erlösche zusammen mit dem Wegfall der Verstrickung.

           

        Die öffentlich-rechtliche Theorie wird in der Literatur vielfach vertreten, so z.B. von T/P 803/8 und Zöller a.a.O., § 804 Rn. 2, vom BGH in der oben genannten Entscheidung aber abgelehnt.

         

      cc) Die gemischte privatrechtlich-öffentlich-rechtliche Theorie

        wird in verschiedenen Varianten vertreten. Sie geht vom privatrechtlichen Charakter des Pfändungspfandrechts aus, ordnet den Verwertungsvorgang aber dem öffentlichen Recht zu. Grundlage und Bedingung für die Wirksamkeit der Versteigerung ist daher die öffentlich-rechtliche Verstrickung des Pfandsache.

         

        Das Pfändungspfandrecht

         

          - entsteht durch wirksame Verstrickung und Beachtung der wesentlichen Vollstreckungsvoraussetzungen und Verfahrensvorschriften .

           

          - Es entsteht nicht an schuldnerfremden oder gläubigereigenen Sachen. Auch ein gutgläubiger Erwerb nach § 1207 BGB ist nicht möglich, da es einem gesetzlichen Pfandrecht näher steht.
          § 185 Abs. 2 BGB ist hingegen anwendbar.

           

           - Es setzt zwar materiellrechtlich voraus, daß der Gläubiger Inhaber der titulierten Forderung ist. Diese materielle Voraussetzung ist für die Entstehung des Pfändungspfandrechts aber vollstreckungsrechtlich modifiziert. Ausreichend ist danach bereits, daß der Gläubiger im Besitz eines rechtskräftigen Titels ist.

           

          - Es geht unter, wenn die Verstrickung beendet wird, ferner aber auch dann, wenn auch ein rechtsgeschäftliches oder gesetzliches  Pfandrecht untergehen würde – selbst, wenn die Verstrickung fortbesteht –, z.B. in den Fällen der §§ 1252 (Erlöschen der titulierten Forderung), 1253 (Entfernung des Pfandsiegels durch Gläubiger oder Schuldner im Einverständnis des Gläubigers) oder 1255 BGB, durch gutgläubigen lastenfreien Erwerb (§§ 136, 135 Abs. 2, 932, 936 BGB) sowie gemäß § 88 InsO.

           

      Die öffentlich-rechtliche und gemischte Theorie kommen zu den gleichen Ergebnissen (so daß der Theorienstreit in der Regel nicht zu erörtern ist)

       

        - bei der Ersteigerung: Auch der bösgläubige Ersteigerer erwirbt Eigentum an der Pfandsache, und zwar jeweils aufgrund der wirksamen Verstrickung. Nach der öffentlich-rechtlichen Theorie reicht diese aus, da sie ohne weitere Voraussetzungen das Pfändungspfandrecht entstehen läßt und dieses Grundlage der Verwertung ist. Nach der gemischten Theorie entsteht zwar kein Pfändungspfandrecht; Grundlage für die Verwertung ist aber allein die Verstrickung.

         

        - Der Erlös aus der Versteigerung einer schuldnerfremden Sache steht nach beiden Theorien nicht dem Gläubiger, sondern dem vormaligen Eigentümer zu: Nach der öffentlich-rechtlichen Theorie, weil sich aus dem Pfändungspfandrecht, das nur ein prozessuales Verwertungsrecht gibt, keine materiell-rechtliche Zuordnung des Erlöses ableiten läßt. Der Gläubiger hat den Erlös ohne Rechtsgrund erlangt und muß ihn nach Bereicherungsrecht (§ 812 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. BGB) an den früheren Eigentümer herausgeben. Nach der gemischten Theorie ist bereits kein Pfändungspfandrecht entstanden, so daß dem Gläubiger ein materielles Recht an der Pfandsache nicht zustand und er ebenfalls um den Erlös ungerechtfertigt bereichert ist.

       

      Die öffentlich-rechtliche und gemischte Theorie kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen (so daß die noch vertretenen Theorien zu erörtern sind und eine Entscheidung notwendig wird) vor allem dann, wenn es um auf den Zeitpunkt der Entstehung des Pfändungspfandrechts ankommt. Beispiele:

       

        - Die Parteien streiten um den Rang eines Rechts (§ 804 Abs. 3 ZPO). Etwa (nach Lackmann a.a.O., Rn. 176): GV pfändet für Gläubiger A vor Zustellung des Titels. Danach: Anschlußpfändung für Gläubiger B. Danach: Titel des A wird zugestellt. Der Pfandgegenstand ist hier wirksam verstrickt worden, da der Zustellungsmangel – s.o. – nur zur Anfechtbarkeit, nicht aber zur Nichtigkeit der Pfändung führt. Nach der öffentlich-rechtlichen Theorie ist das Pfändungspfandrecht des A bereits mit der Verstrickung entstanden und geht demjenigen des B vor. Nach der gemischten Theorie hingegen ist mit der Verstrickung zunächst kein Pfändungspfandrecht entstanden, da mit der Zustellung eine wesentliche Vollstreckungsvoraussetzung fehlte. Zwar ist dieser Mangel durch die spätere Zustellung geheilt worden, jedoch nur mit Wirkung ex nunc (vgl. T/P vor 704/59), so daß das Pfändungspfandrecht des B vorgeht.

         

        - Ähnliches gilt bei bevorstehender Insolvenz des Schuldners: Gemäß
        § 50 Abs. 1 InsO gibt das Pfändungspfandrecht dem Gläubiger ein Recht auf abgesonderte Befriedigung in der Insolvenz des Schuldners, wenn er es mehr als einen Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (vgl. § 88 InsO) erworben hat. Auch hier hilft dem Gläubiger nach der gemischten Theorie eine verspätete Heilung von Mängeln bei der Entstehung des Pfändungspfandrechts nicht mehr.

         

      Gegen die öffentlich-rechtliche Theorie spricht, daß das Pfändungspfandrecht zumindest bei der Verwertung gegenüber der Verstrickung keine eigene Funktion besitzt. Dies dürfte kaum mit der gesetzlichen Regelung des § 804 ZPO in Einklang zu bringen sein (vgl. Brox/Walker a.a.O., Rn. 392). Zudem weist die öffentlich-rechtliche Theorie Widersprüche auf: Es widerspricht der Natur eines Pfandrechts, eine Verwertungsbefugnis – die nur vor dem Hintergrund, eine Befriedigung des Gläubigers zu erreichen, sinnvoll ist – unabhängig vom Recht auf den Erlös zu gewähren (vgl. Jauernig a.a.O., § 16 II C 3).

       

       

    4. Die Verwertung

    der Pfandsache geschieht im Regelfall durch öffentliche Versteigerung (§ 814 ZPO). Die Voraussetzungen einer anderen Verwertung sind in § 825 ZPO geregelt. Für Geld, Wertpapiere sowie Gold- und Silbersachen gelten Sondervorschriften. Im einzelnen:

     

      a) Versteigerung (§ 814 ZPO)

       

      Der GV gibt – ggf. nach Verwertungsaufschub, §§ 813a, b ZPO – im Versteigerungstermin (§§ 814, 816 ZPO) den gewöhnlichen Verkaufswert (dazu die Schätzung nach § 813 ZPO) und das daraus abgeleitete notwendige Mindestgebot (§ 817a Abs. 1 ZPO) bekannt. Sodann werden die Gebote abgegeben; Schuldner und Gläubiger dürfen mitbieten (vgl. § 816 Abs. 4 ZPO i.V.m. § 1239 BGB). Nach dem Zuschlag liefert der GV dem Meistbietenden und Ersteher die Sache gegen Barzahlung ab (§ 817 Abs. 2 ZPO).

       

      Die Ablieferung ist nach den heute noch vertretenen Theorien (s.o.) eine Eigentumszuweisung kraft Hoheitsaktes: Der Ersteher erwirbt originäres Eigentum an dem Pfandgegenstand. Dem Eigentumserwerb steht daher in entsprechenden Fallgestaltungen weder entgegen, daß die Sache nicht dem Schuldner gehört hat, noch, daß der Ersteher bösgläubig war.

       

      Voraussetzungen für den Eigentumserwerb kraft Hoheitsaktes sind danach (vgl. auch T/P 817/9; BGH NJW 1987, 1880):

       

        - Verstrickung,

        - Beachtung der wesentlichen Verfahrensvorschriften der Versteigerung (öffentliche Versteigerung gem. § 814 ZPO, Barzahlung gem. § 817 Abs. 2 ZPO, Einhaltung bekanntgegebener Mindestgebotsgrenzen) und

        - Ablieferung der Sache durch den GV (§ 817 Abs. 2 ZPO).

         

      b) Besondere Verwertungsformen

       

        - gepfändetes Geld hat der GV grundsätzlich dem Gläubiger abzuliefern
        (§ 815 Abs. 1 ZPO); ausnahmsweise ist es zu hinterlegen (§ 815 Abs. 2 ZPO).

         

        - gepfändete Wertpapiere sind nach § 821 ZPO zu verwerten (Abgrenzung zu § 831 ZPO!)

         

        - bei gepfändeten Gold- und Silbersachen ist § 817a Abs. 3 ZPO zu beachten.

         

      c) Anderweitige Verwertung nach § 825 ZPO

      auf Antrag von Gläubiger oder Schuldner

     

        aa) durch den GV (§ 825 Abs. 1 ZPO):

           

          - an einem anderen (vgl. § 816 Abs. 2 ZPO) Ort außerhalb des Vollstreckungsbezirks

           

          - in anderer Weise, nämlich durch freihändigen Verkauf des GV (Hoheitsakt) oder Eigentumszuweisung

         

        bb) durch Beschluß des Vollstreckungsgerichts (§ 825 Abs. 2 ZPO):

          - Versteigerung durch eine andere Person als den GV (z.B. Auktionator). Dieser handelt auch dann, wenn es sich um einen privaten, öffentlich bestellten Auktionator handelt, nicht hoheitlich, so daß die §§ 433, 929 BGB gelten. Bei schuldnerfremden Sachen ist ein Erwerb nach § 1244 BGB möglich (vgl. dazu BGHZ 119, 75).

           

      Probleme entstehen im Anwendungsbereich des Verbraucherkreditgesetzes, das durch die anderweitige Verwertung nicht umgangen werden darf. Beispiel: Der Abzahlungskäufer gerät mit zwei aufeinander folgenden Raten in Zahlungsverzug; die Nachfristsetzung des Abzahlungsverkäufers gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VerbrKrG bleibt erfolglos. Daraufhin erwirkt der Abzahlungsverkäufer gegen ihn wegen des Restkaufpreises einen Zahlungstitel und vollstreckt in die Abzahlungssache. Der Abzahlungsverkäufer (= Gläubiger) soll nun nicht durch eine Verwertung – egal, ob nach allgemeinen Regeln, §§ 814 ff. ZPO, oder nach § 825 ZPO – den Verbraucherschutz nach § 13 Abs. 3 VerbrKrG umgehen können. Deshalb greift die dort enthaltene Rücktrittsvermutung ein (vgl. P 13 VerbrKrG/10 sowie im einzelnen Bülow, VerbrKrG, 3. Aufl., § 13 Rn. 43), nach h.M. allerdings nur unter den im Beispielsfall erfüllten Voraussetzungen der §§ 13 Abs. 1, 12 Abs. 1 Satz 1 VerbrKrG (vgl. P 13 VerbrKrG/11; Bülow a.a.O., § 13 Rn. 37). Die Verwertung der Abzahlungssache ist daher als Rücktritt anzusehen. Der Abzahlungskäufer braucht sie nur unter den Voraussetzungen der §§ 13 Abs. 2 VerbrKrG, 348 BGB geschehen zu lassen. Umstritten ist, wie dieser Schutz durchzusetzen ist, wenn der Gläubiger nach § 825 ZPO die Eigentumszuweisung an sich beantragt:

       

        - Vereinzelt wird vertreten, die Zuweisung sei hier unzulässig (z.B. LG Krefeld MDR 1964, 1013).

         

        - Nach a.A. soll die Zuweisung nur dann zu versagen sein, wenn Ansprüche des Schuldners nach §§ 13 Abs. 2 VerbrKrG, 346 ff. BGB, die im Verfahren nach § 825 ZPO zu berücksichtigen seien, die Ansprüche des Gläubigers zu übersteigen drohten (z.B. LG Bielefeld MDR 1970, 337).

         

        - Nach h.M. ist die Einwendung des Schuldners, ihm seien nach §§ 13 Abs. 2 VerbrKrG, 346 ff. BGB die bereits geleisteten Kaufpreisraten zurückzuzahlen, eine materielle Einwendung, die der Schuldner nur mit der Vollstreckungsgegenklage geltend machen kann (§ 767 ZPO), der GV also nicht zu berücksichtigen hat (vgl. z.B. OLG München MDR 1969, 60; LG Berlin MDR 1974, 1025; Zöller a.a.O., § 825 Rn. 14; Musielak a.a.O., § 817 Rn. 8; Bülow a.a.O., § 13 Rn. 43; Brox/Walker a.a.O., Rn. 443; Lackmann a.a.O., Rn. 189).

         

        Streitig ist weiter, zu welchem Zeitpunkt die Rücktrittsfiktion eintritt. Nach einer Ansicht ist dies erst der Zeitpunkt der Ablieferung der Sache nach Zuschlagserteilung oder Eigentumszuweisung gem. § 825 ZPO (so z.B. BGHZ 15, 241, 249; Zöller a.a.O., § 817 Rn. 15; Brox/Walker a.a.O., Rn. 439), während andere bereits auf den Zeitpunkt der Wegnahme der Sache durch den GV (z.B. P 13 VerbrKrG/10; Lackmann a.a.O., Rn. 189) oder den Antrag des Kreditgebers nach § 825 ZPO (vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 189) abstellen. Jedenfalls aber darf ein später Zeitpunkt des Eingreifens der Rücktrittsfiktion nicht dazu führen, daß eine Vollstreckungsgegenklage dem Schuldner wegen des bereits eingetretenen Besitzverlustes der Sache, ohne die Zug um Zug zu leistende Kaufpreisrückzahlung erhalten zu haben, nichts mehr hilft. Deshalb erscheint es sachgerecht, ihm die Einrede der §§ 320, 348 BGB mit der Vollstreckungsgegenklage bereits vor dem Eintritt der Rücktrittsfiktion, mit der er erst den materiellen Gegenanspruch erhält, zu geben, d.h. die bevorstehende Rücktrittswirkung ausreichen zu lassen (vgl. Musielak a.a.O., § 817 Rn. 8 m.w.N.). Sein Antrag lautet dann darauf, die Zwangsvollstreckung aus dem Kaufpreistitel in die Kaufsache nur Zug um Zug gegen Zahlung der dem Schuldner gemäß §§ 13 Abs. 2 VerbrKrG i.V.m. §§ 346 ff. BGB zustehenden Ansprüche für zulässig zu erklären (vgl. z.B. Zöller a.a.O., § 817 Rn. 15; Musielak a.a.O., § 817 Rn. 8; Brox/Walker a.a.O., Rn. 440).

     

     

    5. Auskehr des Erlöses und Verteilungsverfahren

     

      a) Die Auskehr des Erlöses

      Nach Durchführung der Verwertung zieht der GV die Versteigerungskosten ab und zahlt den Erlös, soweit er dem Gläubiger zusteht, an diesen aus. Einen evtl. Überschuß erhält der Schuldner.

       

      Zu beachten ist die dingliche Surrogation (§ 1247 Satz 2 BGB analog): Die Rechte an der versteigerten Sache setzen sich am Erlös fort. Der Eigentümer der Pfandsache ist also Eigentümer des Erlöses; der Inhaber des Pfändungspfandrechtes an der Sache hat jetzt ein Pfändungspfandrecht am Erlös (vgl. auch T/P 804/5; 819/1).

       

      Auch die Auszahlung des Erlöses ist wie die Ablieferung des Pfandgegenstandes (s.o.) Eigentumszuweisung kraft Hoheitsaktes. Für den Erwerb des Eigentums am Erlös fehlt bei der Versteigerung einer schuldnerfremden Sache jedoch der Rechtsgrund (s.o.). Zur Gefahrtragung, wenn der GV den Erlös verliert oder unterschlägt, vgl. § 819 ZPO (Schuldner muß nicht erneut zahlen).

       

      b) Das Verteilungsverfahren

      kann sich bei einer Pfändung für mehrere Gläubiger der Verwertung anschließen: Mehrere Gläubiger werden in der Reihenfolge ihres Ranges (§ 804 Abs. 3 ZPO) befriedigt. Reicht der Erlös nicht für alle Gläubiger und können diese sich nicht auf eine anderweitige Verteilung einigen, kann einer der nachrangigen Gläubiger die anderweitige, d.h. nicht der Rangfolge entsprechende Verteilung beantragen. Der GV hat nunmehr den Erlös zu hinterlegen und dies dem Vollstreckungsgericht anzuzeigen (§ 827 Abs. 2 ZPO); das Verteilungsverfahren schließt sich an. Dieses ist in den §§ 872 ff. ZPO geregelt. Die Gläubiger haben ihre Forderungen bei dem zuständigen Amtsgericht anzumelden, das einen Teilungsplan aufstellt. Diesem kann ein Gläubiger im Verteilungstermin widersprechen, woraufhin er, wenn sein Widerspruch nicht anerkannt wird, innerhalb eines Monats die Widerspruchsklage nach § 878 ZPO (h.M.: prozessuale Gestaltungsklage) erheben kann. Näheres z.B. bei T/P und Lackmann a.a.O., Rn. 373 ff.

 

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