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Erinnerung

Die Vollstreckungserinnerung, § 766 ZPO

kann sich sowohl auf Handlungen des Gerichtsvollziehers (dazu unten a) als auch auf Maßnahmen des Vollstreckungsgerichts (zu den insoweit geltenden Besonderheiten unten b) beziehen.

       

    a)  Die Erinnerung gegen Handlungen des Gerichtsvollziehers

       

      Die Vollstreckungserinnerung dient der Prüfung des Vollstreckungshandelns in derselben Instanz. Sie stellt daher wegen des Fehlens des Devolutiveffektes kein Rechtsmittel, sondern einen Rechtsbehelf dar. Ihrem Wesen nach ist sie eine formlose Gegendarstellung, die ein Amtsprüfungsverfahren in Gang setzt (vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 201). Es gilt der eingeschränkte Amtsermittlungsgrundsatz. Im Unterschied zur Vollstreckungsgegenklage können materiell-rechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch nicht zur Begründetheit der Erinnerung führen, außer wenn sie – wie im Fall des § 775 Nr. 4, 5 ZPO – Gegenstand von Verfahrensvorschriften sind, die das Vollstreckungsorgan zu beachten hat. Im Gegensatz zur Drittwiderspruchsklage und zur Klage auf vorzugsweise Befriedigung sind die dort beachtlichen materiellen Rechte für das Vollstreckungsorgan  grundsätzlich unbeachtlich und vermögen daher ebenfalls nicht zur Begründetheit einer Vollstreckungserinnerung zu führen.

       

      aa)  Zulässigkeit

       

        aaa) Statthaftigkeit

        der Erinnerung gegen das Vorgehen des Gerichtsvollziehers ist in den folgenden drei Fällen gegeben:

         

        Schuldner oder Dritter rügen Art und Weise der ZV durch den GV
        (§ 766 Abs. 1 ZPO);

         

        - Gläubiger wendet sich gegen Weigerung des GV in Bezug auf den ZV-Auftrag (§ 766 Abs. 2, 1. Alt. ZPO);

         

        - Kostenansatz des GV wird gerügt.

 

        Wegen des eingeschränkten Amtsermittlungsgrundsatzes ist die Vollstreckungserinnerung gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung bereits statthaft, wenn der Erinnerungsführer sich gegen eine bestimmte Vollstreckungsmaßnahme des GV wendet. Das Vollstreckungsgericht hat dann in eine umfassende Prüfung der Vollstreckungsmaßnahme auf Verfahrensverstöße einzusteigen; die Rüge der Verletzung bestimmter Vorschriften ist nicht erforderlich. Auch dann, wenn der Erinnerungsführer materiell-rechtliche Einwendungen geltend macht, ist seine Erinnerung nicht etwa unstatthaft, d.h. unzulässig, sondern lediglich, soweit nicht gleichzeitig vom Vollstreckungsorgan zu beachtende Verfahrensvorschriften betroffen sind, unbegründet (vgl. T/P 766/4).

         

        bbb) Zuständigkeit

        Ausschließlich (§ 802 ZPO) zuständig ist das Vollstreckungsgericht (vgl.
        § 766 ZPO), d.h. das Amtsgericht, in dessen Bezirk das Vollstreckungsverfahren stattgefunden hat oder stattfinden soll (§ 764 Abs. 2 ZPO). Dort entscheidet der Richter (vgl. § 20 Nr. 17 Satz 2 RPflG).

         

        ccc) Form, Frist

        Die Erinnerung ist schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftstelle einzulegen (§ 569 Abs. 2, 3 ZPO n.F. analog, vgl. T/P 766/19; Musielak a.a.O., § 766 Rn. 15). Es besteht kein Anwaltszwang (vgl. § 78 Abs. 3 ZPO; Musielak a.a.O., § 766 Rn. 16). Die Erinnerung ist nicht fristgebunden.

 

        ddd) Antrag

        Ein bestimmter Antrag ist nicht erforderlich. Es steht dem Erinnerungsführer aber frei, durch die Fassung seines Antrages den Prüfungsumfang des Gerichts zu beschränken, etwa bei Pfändung und Wegnahme eines Gegenstandes auf die Wegnahme. Insoweit gilt die Dispositionsmaxime (vgl. den Wortlaut des § 766 Abs. 1 Satz 1 ZPO; ferner Lackmann a.a.O., Rn. 201).

         

        eee) Rechtsschutzbedürfnis

        besteht grundsätzlich vom Beginn der Zwangsvollstreckung an bis zu deren vollständiger Beendigung.

         

        Die Vollstreckung beginnt mit der ersten, gegen den Schuldner gerichteten Vollstreckungshandlung des GV (vgl. T/P 766/21, vor 704/28). Das Rechtsschutzbedürfnis besteht aber auch schon dann, wenn der Beginn der ZV unmittelbar bevorsteht und ein Zuwarten des Erinnerungsführers die Wahrung seiner Rechte zumindest teilweise vereiteln würde (Bsp. nach Lackmann a.a.O., Rn. 202: GV hat dem Schuldner eine Wohnungsdurchsuchung ohne Durchsuchungsanordnung wegen Gefahr im Verzug angekündigt; Zuwarten bis zum Vollstreckungsbeginn könnte Durchsuchung nicht mehr verhindern; ferner z.B. bei bevorstehender Räumung oder Vollstreckung eines Haftbefehls). Für den Gläubiger besteht das Rechtsschutzbedürfnis wegen § 766 Abs. 2, 1. Alt. ZPO bereits dann, wenn sich der GV weigert, den Vollstreckungsauftrag zu übernehmen.

         

        Die Vollstreckung ist beendet, wenn sie sich nicht mehr rückgängig machen läßt, etwa der Pfandgegenstand versteigert und der Pfanderlös ausgekehrt ist. Ein Rechtsschutzbedürfnis gegen den Kostenansatz des GV (§ 766 Abs. 2, 2. Alt. ZPO) besteht aber auch noch nach diesem Zeitpunkt.

         

        fff) Beschwer (Erinnerungsbefugnis)

        besteht, wenn der Erinnerungsführer nach seinem Vortrag möglicherweise in eigenen Rechten beeinträchtigt ist.

         

        Unproblematisch ist in der Regel die Erinnerungsbefugnis des Gläubigers (Antrag wird nicht oder verzögert durchgeführt; Vollstreckung weicht von dem Antrag ab) und des Schuldners (der durch jede gegen ihn gerichtete Zwangsvollstreckungsmaßnahme beschwert ist).

         

        Ein Dritter ist nur dann beschwert, wenn die Verletzung einer Verfahrensvorschrift möglich erscheint, die auch seinen Schutz bezweckt, also drittschützend ist. Dazu gehören insbesondere § 809 ZPO (Schutz des Gewahrsamsinhabers), aber z.B. auch § 811 Abs. 1 Nr. 1 und 5,
        § 812 ZPO (es werden auch Familienangehörige des Schuldners geschützt), der Grundsatz, nach dem evidentes Dritteigentum zu beachten ist (Schutz des Dritteigentümers) oder § 804 Abs. 3 ZPO (zugunsten anderer Gläubiger, die die Verletzung ihres Ranges geltend machen).

         

      bb) Begründetheit

        Der zu bildende Obersatz richtet sich nach der Person des Erinnerungsführers und dem Rechtsschutzziel. Beispiele (vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 207):

         

        - Erinnerung des Gläubigers: “Die Erinnerung ist begründet. Der Gerichtsvollzieher hat die beantragte Vollstreckung durchzuführen. Die Zwangsvollstreckung ist zulässig; Verfahrensvorschriften sind nicht verletzt. (...)”

         

        - Erinnerung des Schuldners oder eines Dritten: “Die Erinnerung ist begründet. Die Zwangsvollstreckung ist unzulässig, denn der Gerichtsvollzieher hat (die den Erinnerungsführer schützende Verfahrensvorschrift x verletzt...)”

         

        - Erinnerung gegen den Kostenansatz: “Die Erinnerung ist begründet. Der Kostenansatz des Gerichtsvollziehers ist unzutreffend, denn (...)”

         

        Im folgenden ist die Entscheidung im Urteilsstil zu begründen, wobei im Rahmen einer zumindest gedanklichen Lösungsskizze zunächst zu prüfen sein wird, ob die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung (vgl. die Teile A und B des Skriptes: allgemeine Verfahrensvoraussetzungen für die ZV, allgemeine Voraussetzungen der ZV, besondere Voraussetzungen der ZV, allgemeine und besondere Vollstreckungshindernisse, Zugriffsbereich der Vollstreckung, zu beachtende Verfahrensvorschriften bei der Durchführung der Vollstreckung) vorliegen/nicht vorliegen bzw. verletzt worden sind/nicht verletzt worden sind.

         

        Eine Beschränkung des Antrages der Erinnerung ist zu beachten.

         

        Ist die Erinnerung unbeschränkt erhoben, ist der Prüfungsumfang am Rechtsschutzziel des Erinnerungsführers auszurichten, also etwa dann, wenn nur die Wegnahme, nicht aber die Pfändung für unzulässig gehalten wird, bei einer unbeschränkten Erinnerung des Schuldners auch zu begründen, warum die Pfändung rechtmäßig ist (vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 210).

         

        Materiell-rechtliche Einwendungen können unter Hinweis auf die Prüfungskompetenz des Gerichtsvollziehers mit knapper Begründung zurückgewiesen werden (vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 210), etwa: “Der Einwand des Schuldners, er habe die titulierte Forderung mittlerweile erfüllt, leider aber vergessen, sich die Erfüllung vom Gläubiger quittieren zu lassen, ist im Rahmen der Vollstreckungserinnerung gemäß § 766 Abs. 1 ZPO unbeachtlich, denn es handelt sich um eine materiell-rechtliche Einwendung, mit der der Schuldner im Erinnerungsverfahren nicht gehört werden kann. Eine Erfüllung ohne Vorlage eines Nachweises nach § 775 Nr. 4 oder 5 ZPO stellt kein Vollstreckungshindernis dar und ist vom Gerichtsvollzieher wegen des Grundsatzes der Formalisierung der Zwangsvollstreckung nicht zu beachten.”

         

        Stellt sich die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Erinnerung anders dar als zum Zeitpunkt des angegriffenen Vollstreckungsaktes (Heilung von Fehlern, etwa: die bei der Pfändung noch fehlende Zustellung des Titels ist mittlerweile nachgeholt worden,
        § 187 Satz 1 ZPO
        bzw. § 189 in der ab dem 1. Juli 2002 geltenden Fassung der Zustellungsvorschriften der ZPO; gemäß § 811 ZPO unpfändbare Gegenstände werden pfändbar, etwa: der Schuldner, der zur Zeit der Pfändung noch Arbeit hat, für die er den gepfändeten Pkw benötigt, vgl. § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO, wird arbeitslos), fragt sich, auf welchen Zeitpunkt für die Entscheidung abzustellen ist.

         

        Grundsätzlich maßgeblich ist der Zeitpunkt der Entscheidung über die Erinnerung (vgl. OLG Köln OLGZ 1988, 214, 216; T/P 766/23; Zöller/Stöber a.a.O., § 766 Rn. 27 a.E.; Musielak a.a.O., § 766 Rn. 23; Brox/Walker a.a.O., Rn. 1233; vgl. für die sofortige Beschwerde auch
        § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO; auch im Erkenntnisverfahren ist auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen). Ist der zu Lasten des Schuldners zunächst bestehende Mangel geheilt, kann der Schuldner die Erinnerung in der Hauptsache für erledigt erklären. Ist der Vollstreckungsakt allerdings nichtig, ist eine Heilung ausgeschlossen und die Erinnerung des Schuldners gegen diesen Akt bleibt auch dann begründet, wenn die Vollstreckungshandlung später fehlerfrei nachgeholt wird.

         

        Zur Frage zum maßgeblichen Zeitpunkt bei der Verletzung von Unpfändbarkeitsvorschriften wird auf die Ausführungen in Teil B I 2 a cc und den dort dargestellten Streitstand verwiesen.

         

      cc) Die Entscheidung

        ergeht durch einen zu begründenden Beschluß.

       

        Zur Erinnerung: Beschlüsse ergehen nicht im Namen des Volkes (§ 311 Abs. 1 ZPO gilt nicht, vgl. T/P 329/2).

       

        Im Rubrum werden nach einer verbreiteten Übung an erster Stelle der Gläubiger und an zweiter Stelle der Schuldner genannt, die gleichzeitig auch mit ihrer Funktion als Erinnerungsführer und Erinnerungsgegner zu bezeichnen sind. Ist ein Dritter der Erinnerungsführer, ist er in dieser Funktion ebenfalls, und zwar an dritter Stelle, im Rubrum aufzuführen, etwa (vgl. Brox/Walker a.a.O., Rn. 1235; Lackmann a.a.O., Rn. 908):

         

        In der Zwangsvollstreckungssache

         

        des Herrn A,

        Gläubigers und Erinnerungsgegners,

        - Verfahrensbevollmächtiger: Rechtsanwalt X -

         

        gegen

         

        Frau B,

        Schuldnerin und Erinnerungsführerin zu 1.,

        - Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte Y pp. -

         

        weiterer Beteiligter und Erinnerungsführer zu 2.: Herr C,

        - Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin Z -”

         

        Der Tenor (vgl. dazu z.B. Lackmann a.a.O., Rn. 214 ff.; Brox/Walker a.a.O., Rn. 1236 ff.) lautet

         

          (1a)  bei einer unzulässigen Erinnerung etwa:

           

          “Die Erinnerung des Schuldners gegen ... wird zurückgewiesen.”

           

          So jedenfalls die h.M. (vgl. z.B. T/P 766/10; Zöller/Stöber a.a.O.,
          § 766 Rn. 28; Brox/Walker a.a.O., Rn. 1236); nach Lackmann (a.a.O., Rn. 214; Musielak/Lackmann a.a.O., § 766 Rn. 29) ist die Erinnerung – wie eine unzulässige sofortige Beschwerde oder Berufung – nicht zurückzuweisen, sondern zu verwerfen;

         

          (1b) bei einer unbegründeten Erinnerung nach allen Ansichten wie unter (1a).

           

          (2) Bei einer begründeten Erinnerung ist zu unterscheiden:

           

          (a) Bei einer Erinnerung des Schuldners lautet der Tenor – je nach dem Umfang der Bgründetheit – etwa:

           

          “Die vom Gerichtsvollzieher am ... durchgeführte Zwangsvollstreckung wird für unzulässig erklärt”.

           

          oder:

           

          “Die vom Gerichtsvollzieher am ... durchgeführte Zwangsvollstreckung wird insoweit für unzulässig erklärt, als der Gerichtsvollzieher den gepfändeten Pkw ... nicht im Gewahrsam des Schuldners belassen hat”.

           

          (b) Bei einer begründeten Erinnerung des Gläubigers wird häufig nicht die gesamte Zulässigkeit der Vollstreckung geprüft worden sein, sondern entsprechend dem Antrag des Gläubigers nur ein Einzelaspekt (Bsp.: GV hält einen Gegenstand zu Unrecht für nach
          § 811 Abs. 1 Nr. 1 ZPO unpfändbar). Hier ist ggf. der Tenor entsprechend einzugrenzen, also nicht, wie nach vollständiger Prüfung zutreffend:

           

          “Der Gerichtsvollzieher wird angewiesen, die vom Gläubiger am ... beantragte Pfändung des ... auszuführen”,

           

          sondern,

           

          “Der Gerichtsvollzieher wird angewiesen, die vom Gläubiger am ... beantragte Pfändung des ... nicht mit der Begründung zu verweigern, das ... sei gemäß § 811 Abs. 1 Nr. 1 ZPO unpfändbar”.

           

          (3) Bei einem Teilunterliegen des Erinnerungsführers, d.h. in Fällen, in denen er einen bestimmten Antrag gestellt und mit diesem nicht in vollem Umfang Erfolg gehabt hat (z.B. Antrag auf Erklärung der ZV für unzulässig; das Gericht erklärt nur die Wegnahme der Pfandsache, nicht aber die Pfändung für unzulässig; anders, wenn der Erinnerungsführer in diesem Fall keinen bestimmten Antrag gestellt hat) oder ein in der Begründung genanntes Ziel nicht vollständig erreicht hat (das Begehren, die gesamte ZV für unzulässig zu erklären, ergibt sich in dem vorgenannten Beispiel nicht aus dem Antrag, aber eindeutig aus dessen Begründung), heißt es im Tenor zur Hauptsache weiter:

           

           “Die weitergehende Erinnerung wird zurückgewiesen.”

           

        Gerichtskosten für das Erinnerungsverfahren sind im GKG nicht vorgesehen und fallen daher nicht an. Etwaige Auslagen des Gerichts sind von der unterlegenen Partei zu tragen. Über die außergerichtlichen Kosten hat das Gericht nach den §§ 91 ff. ZPO zu entscheiden, wobei ggf. auch zu beachten ist, ob ein Teilunterliegen (s.o.) vorliegt. Die Kostenentscheidung kann also etwa lauten, wobei die Angaben in den Klammern überflüssig, aber unschädlich sind:

         

        “(Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.) Die (außergerichtlichen) Kosten des Verfahrens hat der Schuldner zu tragen.”

         

        Ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit unterbleibt wegen § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO.

         

        Wenn das Gericht der Erinnerung des Schuldners oder eines Dritten gegen eine Vollstreckungsmaßnahme stattgibt und die getroffene Vollstreckungsmaßnahme aufhebt oder den GV zur Aufhebung anweist, sollte es analog § 570 Abs. 2 ZPO n.F. die Aussetzung der Vollziehung der Erinnerungsentscheidung bis zur Entscheidung des Beschwerdegerichts anordnen (vgl. T/P 766/11), da dem Gläubiger bei einer abweichenden Entscheidung des Beschwerdegerichts der Verlust von Verstrickung und Pfändungspfandrecht droht (vgl. Musielak a.a.O., § 766 Rn. 31).

           

        Es folgt unter der Überschrift “Gründe” die Begründung der Entscheidung, und zwar – zumindest in der Klausur – üblicherweise unterteilt in einen mit “I. ” überschriebenen Sachverhaltsteil und einen mit “II.” überschriebenen Teil, der den Entscheidungsgründen im Urteil entspricht. Bei der Sachverhaltsdarstellung, die stilistisch dem Urteilstatbestand ähnelt, ist eine etwa in den Akten befindliche Stellungnahme des Gerichtsvollziehers – der nicht Partei des Erinnerungsverfahrens ist – von Amts wegen ermittelter Sachverhalt. Werden die von ihm mitgeteilten Tatsachen von den Parteien nicht anders dargestellt, handelt es sich bei diesen Tatsachen schlicht um unstreitigen Sachverhalt. Soweit die Parteien hierzu indes streitig vortragen, ist dieser Vortrag der Parteien – wie auch sonst – als Streitiges darzustellen. Vom Gerichtsvollzieher mitgeteilte Rechtsansichten sind in der Regel ohne Bedeutung (vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 223).

         

        Das statthafte Rechtsmittel gegen den Erinnerungsbeschluß ist die sofortige Beschwerde (§ 793 ZPO), denn es handelt sich um eine Entscheidung im Zwangsvollstreckungsverfahren ohne notwendige mündliche Verhandlung (vgl. § 764 Abs. 3 ZPO).

         

         

    b) Besonderheiten der Erinnerung gegen Vollstreckungsmaßnahmen des Vollstreckungsgerichts

         

      aa) Abgrenzung im Rahmen der Statthaftigkeit zur sofortigen Beschwerde (§ 793 ZPO) und zur Rechtspflegererinnerung (§ 11 RPflG)

         

      Gegen die Entscheidung über den Antrag auf Erlaß eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ist neben der Vollstreckungserinnerung grundsätzlich auch an die sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO und die Rechtspflegererinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG zu denken.

         

        (1) Abgrenzungskriterium zur sofortigen Beschwerde ist, ob eine Vollstreckungsmaßnahme vorliegt (dann § 766 ZPO) oder eine Entscheidung (dann § 793 ZPO).

         

        Eine Entscheidung im Sinne von § 793 ZPO liegt nach h.M. vor, wenn das Vollstreckungsgericht

           

          - dem Antrag des Gläubigers auf Erlaß eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nach Anhörung des Gegners stattgegeben hat (was wegen § 834 ZPO die Ausnahme darstellt; unerheblich ist, ob der Gegner sich tatsächlich geäußert hat oder ihm nur diese Gelegenheit eingeräumt worden ist) oder

         

          - den Antrag des Gläubigers ablehnt.

         

        Der Grund liegt nach dieser Ansicht darin, daß das Vollstreckungsgericht sich in diesen Fällen mit dem Vorbringen der Beteiligten näher und argumentativ auseinandersetzen und es in tatsächlicher und rechtlicher Weise würdigen muß. Zudem ist die im Fall des § 766 ZPO stattfindende Selbstüberprüfung nicht erforderlich, wenn das Vollstreckungsgericht die widerstreitenden Argumente bereits bei der Entscheidung über den Erlaß des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gewürdigt hat (vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 320).

         

        Umstritten ist, ob eine mit der sofortigen Beschwerde anfechtbare Entscheidung auch dann vorliegt, wenn eine vorherige Anhörung des Schuldners zwar vorgeschrieben ist, diese aber unterbleibt (etwa:
        § 850b Abs. 3 ZPO wird übersehen). Während die vorherrschende Ansicht auch hier auf das Zustandekommen des Beschlusses abstellt und daher keine Entscheidung, sondern eine Maßnahme mit der Folge der Statthaftigkeit der Vollstreckungserinnerung annimmt (vgl. z.B. OVG Münster NJW 1980, 1709), hält die Gegenansicht aus Gründen der Rechtssicherheit die sofortige Beschwerde für statthaft (Lackmann a.a.O., Rn. 324 unter Hinweis auf OLG Hamm NJW 1984, 1972, das gegen eine Durchsuchungsanordnung ohne die in dem entschiedenen Fall für erforderlich gehaltene vorherige Anhörung des Schuldners ebenfalls nur die sofortige Beschwerde zugelassen hatte; so wohl auch T/P 850b/6).

         

        Exkurs: Zwei unterschiedliche Rechtsbehelfe gegen denselben Beschluß

         

        Beispiel 1: Der Antrag des Gläubigers auf Erlaß eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses wird teilweise zurückgewiesen; im übrigen wird der beantragte Beschluß – ohne Anhörung des Schuldners – erlassen.

         

        Hier hat das Vollstreckungsgericht im Hinblick auf die teilweise Ablehnung des Antrages eine Entscheidung getroffen, im übrigen nur eine Vollstreckungsmaßnahme, so daß dem Schuldner die Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) und dem Gläubiger die sofortige Beschwerde (§ 793 ZPO) zur Verfügung steht (vgl. z.B. Zöller/Stöber a.a.O., § 766 Rn. 2; Musielak a.a.O., § 766 Rn. 14).

         

        Beispiel 2: Das Vollstreckungsgericht erläßt den beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschluß nach Anhörung des Schuldners (etwa wegen
        § 850b Abs. 3 ZPO), aber ohne Anhörung des Drittschuldners.

         

        Während nach der oben dargestellten Auffassung auch hier unterschiedliche Rechtsbehelfe statthaft sind (Erinnerung für den Drittschuldner, sofortige Beschwerde für den Schuldner), meint eine Gegenansicht, in derartigen Fällen, in denen quasi zwei Parteien auf einer Seite stehen wie Schudner und Drittschuldner, müsse für beide ein einheitlicher Rechtsbehelf, und zwar die sofortige Beschwerde, statthaft sein (vgl. OLG Bamberg NJW 1978, 1389; LG Bochum Rpfleger 1984, 278; T/P 829/55; Lackmann a.a.O., Rn. 323). Hierdurch würden auch Probleme im Hinblick auf die formelle Rechtskraft vermieden, denn sonst werde, wenn der Schuldner nicht fristgemäß sofortige Beschwerde einlegte, der Beschluß ihm gegenüber zwar formell rechtskräftig, könnte aber dennoch zu seinen Gunsten später auf die nicht fristgebundene Erinnerung des Drittschuldners aufgehoben werden (Lackmann a.a.O.).

 

        (2) Die Rechtspflegererinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG hat nach der Neufassung dieser Vorschrift nur noch für die Entscheidungen des Rechtspflegers Bedeutung, in denen nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften kein Rechtsmittel gegeben ist; ansonsten ist gemäß § 11 Abs. 1 RPflG das Rechtsmittel statthaft, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften gegeben ist. Da gegen Entscheidungen im Vollstreckungsverfahren, die ohne notwendige mündliche Verhandlung ergehen, nach der allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschrift des § 793 ZPO die sofortige Beschwerde gegeben ist, läuft § 11 Abs. 2 RPflG im Konkurrenzverhältnis zu § 793 ZPO leer: Es findet gegen Entscheidungen des Rechtspflegers stets die sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO statt (vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 316). In der Klausur kann man zeigen, dies gesehen zu haben, indem man etwa ausführt: “Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 793 ZPO statthaft. (...)”.

 

      bb) Beschwer (Erinnerungsbefugnis)

         

        Der Schuldner ist bereits durch den Erlaß des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses beschwert.

         

        Der Drittschuldner ist nach h.M. ebenfalls immer beschwert (vgl. BGHZ 69, 144; T/P 766/20), weil ihm durch die Forderungspfändung zusätzliche Pflichten auferlegt werden, die ein rechtmäßiges Handeln des Vollstreckungsgerichts auch in seinem Interesse gebieten: Er ist dem Gläubiger gegenüber auskunftspflichtig (§ 840 ZPO) und kann sich diesbezüglich schadensersatzpflichtig machen (vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 326). Ein eigenständiges betroffenes Interesse des Drittschuldners kann hinzukommen. Es kann etwa in der Fürsorgepflicht des Sozialleistungsträgers als Drittschuldner für den Sozialleistungsempfänger als Schuldner liegen (Lackmann a.a.O.).

         

        Ein Dritter kann ebenfalls erinnerungsbefugt sein, so zum Beispiel ein Grundpfandrechtsgläubiger, der einen Verstoß gegen § 865 ZPO rügt (Lackmann a.a.O.).

         

        Zur Erinnerung: Der Gläubiger ist durch die Ablehnung seines Antrages auf Erlaß eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses natürlich auch beschwert. Da das Vollstreckungsgericht insoweit aber eine Entscheidung trifft, ist nicht die Erinnerung, sondern die sofortige Beschwerde statthaft.

 

      cc) Tenor

         

        Bei einer begründeten Erinnerung des Schuldners oder Drittschuldners lautet der Tenor – ähnlich wie bei der Aufhebung eines Versäumnisurteils oder Vollstreckungsbescheides – etwa:

         

        “Auf die Erinnerung des Schuldners (Drittschuldners) wird der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts ... vom ..., Az.: ..., aufgehoben und der Antrag des Gläubigers auf Erlaß des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zurückgewiesen.”

         

        Wird der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß aufgehoben, sollte gleichzeitig analog § 570 Abs. 2 ZPO n.F. die Wirksamkeit der Erinnerungsentscheidung bis zu ihrer Rechtskraft ausgesetzt werden, denn mit der Aufhebung geht das Pfändungspfandrecht unter und die gepfändete Forderung kann wieder untergehen oder abgetreten werden, so daß ein vom Beschwerdegericht oder auf dessen Anordnung durch das Vollstreckungsgericht erneut erlassener Pfändungs- und Überweisungsbeschluß ins Leere gehen würde. Das Beschwerdegericht kann den alten, aufgehobenen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß auch nicht mit Rückwirkung wieder in Kraft setzen (vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 328).

         

      dd) Zum Verfahren

         

        Der Rechtspfleger ist auf die Erinnerung analog § 572 Abs. 1 n.F. ZPO abhilfebefugt, darf also, wenn er etwa die Argumentation des Schuldners für zutreffend hält, den erlassenen Beschluß nach Anhörung des Gläubigers aufheben. Hilft er nicht ab, muß er die Sache dem Richter zur Entscheidung über die Erinnerung vorlegen (vgl. § 20 Nr. 17 Satz 2 RPflG).

 

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