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Vollstreckungsgegenklage

Die Vollstreckungsgegenklage, § 767 ZPO

 

Die Vollstreckungsgegenklage dient der Geltendmachung materiellrechtlicher Einwendungen gegen den titulierten Anspruch. Es handelt sich um eine prozessuale Gestaltungsklage (Wirkung nicht nur zwischen den Parteien, sondern gegenüber allen!) mit dem Ziel, die einem sachlich-rechtlichen Anspruch gewährte Vollstreckbarkeit nach Wegfall ihrer Voraussetzungen für die Zukunft entfallen zu lassen (Streitgegenstand der Vollstreckungsgegenklage; vgl. BGH NJW 1992, 2160, 2162).

 

Da sich die Vollstreckungsgegenklage nur gegen die ZV aus dem Titel, nicht aber auf dessen Aufhebung (hierfür wäre der Titel mit den statthaften Rechtsbehelfen anzufechten) richtet, sind mit ihr – bei der Rechtskraft fähigen Titeln – nur solche Einwendungen zulässig, die die Rechtskraft unberührt lassen, d.h. grundsätzlich nur rechtsvernichtende und rechtshemmende Einwendungen (vgl. § 767 Abs. 2 ZPO; T/P 767/20). Wichtige Ausnahmen sind die nicht der Rechtskraft fähigen Titel (z.B. vollstreckbare Urkunden, für die, wie § 797 Abs. 4 ZPO klarstellt, § 767 Abs. 2 ZPO nicht gilt). Zulässige Einwendungen sind aber auch die beschränkte Erbenhaftung (§ 785 ZPO) sowie, soweit dahingehenden Auffassungen gefolgt wird, vollstreckungsbeschränkende Vollstreckungsverträge (s.o. A VIII 4 b; so der BGH: § 767 ZPO analog) oder die aus der Rücktrittsfiktion folgenden Einwendungen des Abzahlungskäufers bei einer Vollstreckung des Abzahlungsverkäufers in den Abzahlungsgegenstand (s.o. B I 4 c bb ).

 

Über § 795 Satz 1 ZPO findet § 767 ZPO unter gewissen Modifikationen auch auf andere Schuldtitel als Urteile (§ 794 ZPO) Anwendung.

 

a)  Abgrenzung von anderen Rechtsbehelfen

    wird relevant, wenn bei Anwaltsklausuren der Kläger zu vertreten ist oder in Urteilsklausuren oder Anwaltsklausuren, bei denen der Beklagte vertreten wird, unklar ist, welche Klage der Kläger erhoben hat. Wenn insoweit hingegen klar ist, welchen Rechtsbehelf der Kläger eingelegt hat, wird eine Auslegung nicht zulässig sein, so daß nur noch zu prüfen bleibt, ob die erhobene Klage zulässig und begründet ist. Eine Umdeutung wird wegen § 139 ZPO i.V.m. dem Bearbeitervermerk kaum in Betracht kommen (vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 487).

     

    aa) Vollstreckungserinnerung, § 766 ZPO

      Die Abgrenzung ist grundsätzlich unproblematisch (Unzulässigkeit bestimmter Vollstreckungsmaßnahmen wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften <–> Unzulässigkeit der Vollstreckung eines titulierten Anspruchs aus materiellrechtlichen Gründen). Bei Überschneidungen – etwa wenn das Vollstreckungsorgan ausnahmsweise auch materiell-rechtliche Fragen zu prüfen hat – können ggf. Vollstreckungsgegenklage und Vollstreckungserinnerung nebeneinander statthaft sein, ohne daß der Vollstreckungsgegenklage das Rechtsschutzbedürfnis fehlen würde. So können etwa, wenn der Schuldner dem GV eine Quittung des Gläubigers vorlegt, dieser aber dennoch weiter vollstreckt, sowohl die Erinnerung (gestützt auf eine Verletzung des § 775 Nr. 4 ZPO) als auch die Vollstreckungsgegenklage (gestützt auf die Erfüllung der Forderung,
      § 362 Abs. 1 BGB) statthaft sein. Abzugrenzen ist auch im Fall vollstreckungsbeschränkender Vereinbarungen (s. dazu o. A VIII 4 b; die Rechtsprechung tendiert dazu, daß diese mit der Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen sind, vgl. BGH NJW 1991, 2295; BGHZ 16, 180; OLG Köln NJW-RR 1995, 576; T/P 766/26).

         

    bb) Leistungs- und Feststellungsklagen,

      die die Einwendung(en) gegen den titulierten Anspruch betreffen, bleiben zwar grundsätzlich zulässig (vgl. z.B. BGH NJW 1997, 2320). Sie dürfen aber nicht zu einer Umgehung des § 767 Abs. 2 ZPO führen (vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 489). Nur mit einer Feststellungsklage kann etwa erreicht werden, daß das Nichtmehrbestehen der titulierten Forderung rechtskräftig ausgesprochen wird; insoweit ist etwa auch an eine mit einer Vollstreckungsgegenklage verbundene Zwischenfeststellungsklage zu denken (vgl. T/P 767/3).

 

    cc) Abänderungsklage, § 323 ZPO

      Die Abänderungsklage führt anders als die allein gegen die Vollstreckbarkeit des Titels gerichtete Vollstreckungsgegenklage zu einer Durchbrechung der Rechtskraft des Urteils. Deshalb sind die Abänderungsklage und die Vollstreckungsgegenklage nicht wahlweise nebeneinander statthaft, sondern schließen sich gegenseitig innerhalb ihres Anwendungsbereiches aus. Ferner wirkt das Urteil auf eine Abänderungsklage nur für die Zeit nach deren Erhebung (§ 323 Abs. 3 ZPO).

         

      Die Abänderungsklage ist statthaft, wenn es um Veränderungen geht, die auf dem Einfluß von stets wandelbaren Verhältnissen beruhen und ein quantitatives Element haben (vgl. BGHZ 70, 151; BGH NJW 1986, 2047; BGH NJW-RR 1991, 1154; T/P 323/2, 767/4), etwa um die Leistungsfähigkeit des Schuldners in einer Unterhaltssache.

         

      Die Vollstreckungsgegenklage ist hingegen bei scharf umrissenen, punktuellen Ereignissen statthaft (vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 490), etwa bei einer Wiederheirat des Unterhaltsberechtigten, aber auch bei den sonstigen typischen Einwendungen der Vollstreckungsgegenklage wie etwa der Erfüllung.

 

    dd) Klage auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung nach § 826 BGB

      Hat der Gläubiger den Titel durch eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung erwirkt (§ 826 BGB), kann der Schuldner gestützt auf § 826 BGB auf Unterlassung der Vollstreckung und Herausgabe des Titels klagen (vgl. P 826/46 ff.). Eine Konkurrenz zu § 767 ZPO, dessen Absatz 2 bei diesen Sachverhalten eine erfolgreiche Vollstreckungsgegenklage verhindern würde, besteht nicht. Die Schadensersatzklage (§ 826 BGB) wird auf die Unrichtigkeit bereits des Titels gestützt, während mit der Vollstreckungsgegenklage nachträglich entstandene materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Titel geltend gemacht werden (vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 491).

         

    ee) Berufung, §§ 511 ff. ZPO

      Dem Schuldner steht es für den Fall, daß er materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Titel hat, natürlich frei, das Urteil mit der Berufung anzufechten, deren Wirkungen weiter gehen als die der Vollstreckungsgegenklage. Hat er die Berufung gewählt, fehlt einer zusätzlich eingelegten Vollstreckungsgegenklage das Rechtsschutzbedürfnis (BAG NJW 1980, 141; OLG Hamm ZIP 93, 523; T/P 767/15), es sei denn, der mit der Vollstreckungsgegenklage geltend gemachte Einwand steht in der Berufungsinstanz nicht zur Prüfung an (vgl. OLG Frankfurt OLGR 1994, 82: Leistung zur Abwendung der ZV aus dem erstinstanzlichen Urteil; Zöller/Herget a.a.O., § 767 Rn. 4).

         

    ff) Prozeßvergleich

      Handelt es sich bei dem Vollstreckungstitel um einen Prozeßvergleich, stellen sich je nach der Art der Einwendung unterschiedliche Zulässigkeitsprobleme.

         

        (1) Nichtigkeit des Vergleichs aus formellen Gründen

         

        In diesen Fällen (Beispiele: im Protokoll fehlt der Vermerk über das Vorspielen und Genehmigen des Vergleichs, §§ 162 Abs. 1, 160 Abs. 3 Nr. 1, T/P 794/11;  der Inhalt des Vergleichs ist nicht vollstreckbar; im Anwaltsprozeß ist eine der vergleichsschließenden Parteien nicht anwaltlich vertreten) steht dem Schuldner als einfacherer und billigerer Weg die Klausel- oder Vollstreckungserinnerung zur Verfügung, wenn der Gläubiger aus dem Vergleich vollstreckt. Einer Vollstreckungsklage fehlt das Rechtsschutzbedürfnis (vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 535).

         

        (2)  Ursprüngliche Unwirksamkeit des Vergleichs

         

        Die ursprüngliche Unwirksamkeit des Vergleichs, etwa aufgrund einer Anfechtung nach den §§ 119 oder 123 BGB, eines Verstoßes gegen
        § 779 BGB, eines Verfahrensfehlers oder des Eintritts bzw. Nichteintritts einer Bedingung (z.B. Widerrufsvorbehalt), hat die Partei durch die Fortsetzung des alten Verfahrens, das durch den Vergleich dann nicht beendet worden ist, geltend zu machen. Betroffen ist in diesen Fällen die rechtliche Existenz des Vergleichs (vgl. BGH NJW 1986, 1348, 1349). Die Verfahrensfortsetzung ist der einfachere Weg, so daß einer Vollstreckungsgegenklage das Rechtsschutzbedürfnis fehlt (vgl. T/P 767/15; P 779/31; Lackmann a.a.O., Rn. 536). Sie ist zudem ohnehin geboten, da infolge des Fehlens der verahrensbeendigenden Wirkung des Vergleichs das Ursprungsverfahren ggf. noch anhängig ist.

         

        (3) Nachträglicher Wegfall des Vergleichs

         

        Betrifft die erhobene Einwendung hingegen einen erst nach Abschluß des Vergleichs eingetretenen Umstand und führt nicht zu einer rückwirkenden Vernichtung des Vergleichs, geht es also etwa um einen Rücktritt (§ 326 BGB) oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage, hält die h.M. dagegen die Vollstreckungsgegenklage für zulässig (vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 537; T/P 794/35; a.A. z.B. BAG NJW 1983, 2212; Brox/Walker a.a.O., Rn. 1334).

         

b) Verbindung mit einer Klage auf Herausgabe des Titels

         

    Der Schuldner wird neben der Unzulässigerklärung der Zwangvollstreckung häufig auch an der Herausgabe des Vollstreckungstitels interessiert sein und deshalb die Vollstreckungsgegenklage mit einer derartigen Herausgabeklage verbinden (objektive Klagehäufung, § 260 ZPO).

       

    Umstritten ist, wann die Herausgabeklage zulässig ist. Nach zutreffender Ansicht scheitert die Klage jedenfalls nicht daran, daß § 767 ZPO die speziellere Norm ist. Vollstreckungsgegenklage und Herausgabeklage sind nämlich auf unterschiedliche Ziele gerichtet (vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 555). Das Rechtsschutzbedürfnis neben einer Vollstreckungsgegenklage ist gegeben, weil der Gläubiger, solange er im Besitz des Titels ist, weiterhin Vollstreckungsaufträge erteilen und der Gläubiger sich nur über die Vorlage des stattgebenden Urteils über die Vollstreckungsgegenklage wehren kann (vgl. § 775 Nr. 1 ZPO; dazu BGH NJW 1994, 3225). Zumindest bei einer gleichzeitig erhobenen oder vorangegangenen Vollstreckungsgegenklage ist die Herausgabeklage nach h.M. zulässig (vgl. BGH WM 1975, 1213; Musielak/Lackmann a.a.O., § 767 Rn. 14; so wohl auch P 371/4). Ohne eine gleichzeitig oder vorher erhobene Vollstreckungsgegenklage wird die Herausgabeklage zugelassen,  wenn der Gläubiger die Herausgabe verweigert, obwohl das Erlöschen des titulierten Anspruchs unstreitig ist (vgl. BGH NJW 1994, 1161) und der Schuldner deshalb bei einer Vollstreckungsgegenklage mit einem sofortigen Anerkenntnis rechnen muß; ansonsten könnten die Abs. 2 und 3 des § 767 ZPO umgangen werden (vgl. Musielak/Lackmann a.a.O.). Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt zudem, wenn die vollständige Leistung auf dem Titel vermerkt ist (vgl. Musielak/Lackmann a.a.O.).

       

    Anspruchsgrundlage für die Herausgabe ist § 371 BGB analog (vgl. BGH NJW 1994, 3225 m.w.N.; T/P 767/6; P 371/4). Eine analoge Anwendung des § 757 Abs. 1 ZPO kommt hingegen nicht in Betracht, da dessen Anwendungsbereich nicht erweitert werden kann (vgl. BGH NJW 1994, 3225; Musielak/Lackmann a.a.O., § 767 Rn. 14),

       

c) Zulässigkeit der Vollstreckungsgegenklage

Nicht jede Klausur mit einer Vollstreckungsgegenklage enthält Zulässigkeitsprobleme. Gute Klausurbearbeitungen zeichnen sich u.a. durch eine geschickte Schwerpunktbildung aus, die automatisch zustandekommt, wenn die “echten” Probleme der Klausur erkannt werden. Das heißt: Wenn – was auch in Klausuren vorkommen kann – die Zulässigkeit der Vollstreckungsgegenklage vollkommen unproblematisch ist, wird sie in der Praxis überhaupt nicht erörtert und sollte in Klausuren nur in der gebotenen Kürze angesprochen werden. Das geht in wenigen Sätzen, die dann nur die “Standardpunkte” Zuständigkeit (weil sie ganz oder teilweise ausschließlich ist), Statthaftigkeit und Rechtsschutzbedürfnis enthalten und etwa lauten könnten: “Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere als Vollstreckungsgegenklage statthaft, da d. Kl. mit (...; hier sind die Einwendungen des Klägers zu bezeichnen) materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Titel geltend macht, vor dem örtlich und sachlich gemäß §§ 767 Abs. 1, 802 ZPO ausschließlich zuständigen Gericht des ersten Rechtszuges erhoben worden, und es besteht für sie auch ein Rechtsschutzbedürfnis, da die Zwangsvollstreckung aufgrund des vorliegenden Vollstreckungstitels noch nicht vollständig beendet ist”. So sind die Standardpunkte mit einer Kurzbegründung abgehandelt, also offensichtlich dem Verfasser der Klausur weder unbekannt noch von ihm übersehen worden. Zudem scheint mir die Bildung eines derartigen Bandwurmsatzes aufgrund des erkennbaren Vorsatzes, Unproblematisches ganz kurz zu halten, gerade noch erträglich zu sein. Weniger gelungen erscheint mir hingegen die Variante bei Lackmann a.a.O., Rn. 495. Dieser Vorschlag sieht nämlich einen nicht durch Punkt und Absatz getrennten und damit dem Sinnzusammenhang entsprechenden, sondern mit einem Semikolon (übrigens dem zweiten innerhalb desselben Satzes) verbundenen und damit dem Sinnzusammenhang widersprechenden unmittelbaren Übergang zur Prüfung der Begründetheit der Klage vor, der auch in der Praxis eher selten sein dürfte.

       

Liegen allerdings Zulässigkeitsprobleme vor, sind diese natürlich in der dann gebotenen Ausführlichkeit zu behandeln.

 

    aa) Statthaftigkeit

      Die Vollstreckungsgegenklage ist, wie sich aus § 767 Abs. 1 ZPO ergibt, statthaft, wenn der Kläger

      - materiell-rechtliche Einwendungen erhebt,

      - die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen.

         

      Handelt es sich bei dem Vollstreckungstitel des Gläubigers, gegen den der Schuldner vorgeht, nicht um ein Urteil, sondern um einen der in § 794 ZPO genannten anderen Titel, ist § 767 ZPO über § 795 Satz 1 ZPO entsprechend anwendbar, allerdings mit den sich aus den §§ 795a bis 800 ZPO ergebenden Besonderheiten.

         

      Gegenüber den in Arresten und einstweiligen Verfügungen titulierten Ansprüchen – mit Ausnahme von Leistungsverfügungen, vgl. T/P 936/15 – ist die Vollstreckungsgegenklage hingegen nicht statthaft, da dort das Aufhebungsverfahren (§ 927 ZPO, ggf. i.V.m. § 936 ZPO) die speziellere Regelung darstellt (vgl. T/P 767/11, 924/7, 936/15; Lackmann a.a.O., Rn. 496).

         

    bb) Zuständigkeit

      Nach § 767 Abs. 1 ZPO, der von einer gegen eine gerichtliche Entscheidung gerichteten Vollstreckungs-gegenklage ausgeht, ist das Prozeßgericht des ersten Rechtszuges zuständig, also das erstinstanzliche Gericht innerhalb des Verfahrens, in dem der Titel geschaffen wurde (vgl. Brox/Walker a.a.O., Rn. 1331). Grund: Dieses Gericht war bereits mit der Sache befaßt.

         

        Beispiel 1: LG Frankfurt (Oder) verurteilt Bekl. zur Zahlung von 20.000,- EUR. LG Frankfurt (Oder) ist für Vollstreckungsgegenklage des Bekl. zuständig.

         

        Beispiel 2: Bekl. geht in Berufung gegen das Zahlungsurteil aus Beispiel 1; OLG weist Berufung zurück. LG Frankfurt (Oder) ist für Vollstreckungsgegenklage zuständig.

         

        Beispiel 3: LG Frankfurt (Oder) weist die Klage ab. Kläger geht in Berufung; OLG gibt der Klage unter Abänderung des LG-Urteils statt. LG Frankfurt (Oder) ist für Vollstreckungsgegenklage zuständig. Es hat den Titel gegen Bekl. zwar nicht erlassen, ist aber das Gericht des ersten Rechtszuges in dem Verfahren, in dem der Titel geschaffen worden ist.

         

      § 767 Abs. 1 ZPO betrifft sowohl – ohne Rücksicht auf den Streitwert (vgl. Zöller/Herget a.a.O., § 767 Rn. 10; Lackmann a.a.O., Rn. 498; a.A. nur T/P
      § 767 Rn. 13 i.V.m. § 731 Rn. 4, die bei LG-Streitwerten § 796 Abs. 3 ZPO trotz des Sondercharakters dieser Vorschrift analog anwenden wollen) – die sachliche als auch die örtliche Zuständigkeit. Diese Zuständigkeiten sind gemäß § 802 ZPO ausschließlich.

         

      Umstritten ist, ob für eine Vollstreckungsgegenklage gegen einen Vergleich, der vor dem Landgericht geschlossen worden ist und familienrechtliche Regelungen beinhaltet, das Landgericht (ausschließliche Zuständigkeit aus § 767 Abs. 1 ZPO) oder das Amtsgericht – Familiengericht – (ausschließliche Zuständigkeit aus
      § 621 ZPO) zuständig ist, welche Zuständigkeit also vorgeht. Vgl. zum Streitstand Lackmann a.a.O., Rn. 499.

         

      Sonderregelungen gelten

         

        - für Vollstreckungsgegenklagen gegen in Vollstreckungsbescheiden titulierte Ansprüche: Hier ist nach § 796 Abs. 3 ZPO das Gericht sachlich und örtlich zuständig, das für eine Entscheidung im Streitverfahren zuständig gewesen wäre. Diese Zuständigkeit kann sich auch aus einer Gerichtsstandsvereinbarung ergeben. Erst das abstrakt nach §§ 1, 12 ff. ZPO ermittelte Gericht ist gem. § 802 ZPO ausschließlich zuständig (vgl. Musielak a.a.O., § 796 Rn. 3);

         

        - für Vollstreckungsgegenklagen, die sich gegen in gerichtlichen (Verpflichtung zur Erfüllung von Unterhaltsansprüchen u.a., vgl. § 62 BeurkG) und notariellen Urkunden titulierte Ansprüche richten: Hier ist gemäß § 797 Abs. 5 ZPO grundsätzlich das Gericht örtlich ausschließlich (§ 802 ZPO) zuständig, bei dem der Schuldner im Inland seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Nach h.M. in der Literatur (vgl. z.B. T/P 797/2; Zöller/Stöber a.a.O., § 797 Rn. 1; Brox/Walker a.a.O., Rn. 1331; a.A. RGZ 21, 345; OLG München NJW 1961, 2265) fallen nur Urkunden gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO unter diese Vorschrift, nicht aber Prozeßvergleiche. Grund: Die Vorschrift ist geschaffen worden, um eine Zuständigkeitsregelung für Vollstreckungsgegenklagen zu schaffen, bei denen es kein “Prozeßgericht des ersten Rechtszuges” (s.o.) gibt. Bei Prozeßvergleichen war aber bereits ein Gericht vorbefaßt (vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 500).

         

    cc) Rechtsschutzbedürfnis

      Das Rechtsschutzbedürfnis besteht vom Erlaß des Titels an (also u.U. schon vor der Klauselerteilung, vgl. T/P 767/14; Brox/Walker a.a.O., Rn. 1332) bis zur vollständigen Beendigung der Zwangsvollstreckung.

         

      aaa) Es kann fehlen, wenn der Kläger bereits Berufung eingelegt hat, s.o. 3 a ee. Die Wahl zwischen Berufung und Vollstreckungsgegenklage steht dem Käger aber frei.

         

      bbb) Es kann ferner fehlen, wenn der Schuldner dasselbe Ziel, nämlich die Beseitigung der Vollstreckbarkeit des Titels, auch mit der Klausel- oder Vollstreckungserinnerung erreichen kann, da diese Rechtsbehelfe regelmäßig den einfacheren und billigeren Weg darstellen.

         

        Ist der Titel aus formellen Gründen unwirksam (Bsp.: Urteilstenor ist inhaltlich unbestimmt; Vergleich ist nicht vorgespielt und genehmigt worden), kann der Schuldner sein Ziel vollständig mit der Klausel- oder Vollstreckungserinnerung erreichen; der Vollstreckungsgegenklage fehlt das Rechtsschutzbedürfnis (vgl. T/P 767/14; Lackmann a.a.O., Rn. 502; Brox/Walker a.a.O., Rn. 1333).

         

        Ist der Titel dagegen aus materiell-rechtlichen Gründen unwirksam (Bsp.: Unterwerfungserklärung in einem notariell beurkundeten Bauträgervertrag verstößt gegen das AGBG oder die Makler- und Bauträgerverordnung, vgl. BGH NJW 1992, 2160), aber nach Form und Inhalt zur Zwangsvollstreckung geeignet, ist die Vollstreckungsgegenklage zulässig (vgl. BGH a.a.O. unter Aufgabe von BGH NJW-RR 1987, 1149). Allerdings darf die Wirksamkeit des Titels im Rahmen der Begründetheit der Vollstreckungsgegenklage nicht geprüft werden, deren Stattgabe also nicht etwa auf diese Unwirksamkeit gestützt werden, da es sich insoweit nicht um eine materiell-rechtliche Einwendung gegen den Anspruch selbst handelt (vgl. BGH NJW 1992, 2160).

         

      ccc) Richtet sich die Vollstreckungsgegenklage gegen die Forderung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluß, fehlt ihr gegenüber einer Beschwerde gegen diesen Kostenfestsetzungsbeschluß gemäß § 104 Abs. 3 ZPO regelmäßig nicht das Rechtsschutzbedürfnis, weil materiell-rechtliche Einwendungen im Beschwerdeverfahren gemäß § 104 Abs. 3 ZPO grundsätzlich nicht geprüft werden dürfen (vgl. T/P 104/12 sowie – zu den Ausnahmen – 104/13).

         

      ddd) Legt der Schuldner Zahlungsnachweise gemäß § 775 Nr. 4, 5 ZPO vor, fehlt seiner Vollstreckungsgegenklage trotz der vom zuständigen Vollstreckungsorgan dann zunächst vorzunehmenden Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Bestreitet der Gläubiger nämlich die Befriedigung und beantragt die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung, hat das Vollstreckungsorgan diesem Antrag zu folgen (vgl. T/P 775/17); der Schuldner kann die endgültige Einstellung der Zwangsvollstreckung über § 775 Nr. 1, 776 Satz 1 ZPO nur mit der Vollstreckungsgegenklage erreichen (vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 504).

         

      eee) Ist bei einem unwirksamen Vergleich das Ursprungsverfahren fortzusetzen (s.o. 3 a ff [2]), fehlt einer dennoch eingelegten Vollstreckungsgegenklage das Rechtsschutzbedürfnis.

         

Wichtig: Die Präklusion gemäß § 767 Abs. 2 oder 3 ZPO ist, wie sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt, keine Zulässigkeitsvoraussetzung; vielmehr ist eine auf eine präkludierte Einwendung gestützte Vollstreckungegenklage unbegründet.

       

d) Begründetheit der Vollstreckungsgegenklage

       

     Die Vollstreckungsgegenklage ist begründet,

       

      - wenn dem Kläger eine materiell-rechtliche Einwendung gegen den titulierten Anspruch zusteht,

       

      - die nicht nach § 767 Abs. 2 und 3 ZPO ausgeschlossen ist.

       

    Aktivlegitimiert ist der Vollstreckungsschuldner (oder derjenige, gegen den der Titel umgeschrieben worden ist). Passivlegitimiert ist der Vollstreckungsgläubiger (oder derjenige, für den der Titel umgeschrieben werden kann: z.B. nach einer Abtretung). Aktiv- und Passivlegitimation sind in der Klausur aber nur zu erwähnen, wenn – etwa bei einer Titelumschreibung – hier Probleme bestehen.

       

    aa) Einwendungen

       

      Die Vollstreckungsgegenklage kann, soweit § 767 Abs. 2 ZPO anwendbar ist, mit Erfolg nur auf

         

        - rechtsvernichtende Einwendungen (z.B. Erfüllung, Aufrechnung, Erlaß, Anfechtung, Eintritt einer auflösenden Bedingung, Wegfall der Geschäftsgrundlage, Rücktritt, Wandelung, unzulässige Rechtsausübung, Pfändung des titulierten Anspruchs, vgl. Brox/Walker a.a.O., Rn. 1336) und

         

        - rechtshemmende Einwendungen (z.B. Verjährung, Stundung, Zurückbehaltungsrecht, beschränkte Erbenhaftung, vgl. Brox/Walker a.a.O., Rn. 1336)

         

      gestützt werden.

         

      Rechtshindernde Einwendungen können bei einer Vollstreckungsgegenklage nur zum Erfolg führen, wenn § 767 Abs. 2 ZPO nicht anwendbar ist, nämlich insbesondere bei der Vollstreckung aus vollstreckbaren Urkunden (vgl. § 797 Abs. 4 ZPO) und Anwaltsvergleichen (vgl. §§ 796a ff. ZPO). Rechtshindernden Einwendungen gegen Prozeßvergleiche stünde § 767 Abs. 2 ZPO zwar ebenfalls nicht entgegen; einer hierauf gestützten Vollstreckungsgegenklage fehlt jedoch regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis, da das Ursprungsverfahren fortzuführen ist (s.o.).

         

    bb) Keine Präklusion gemäß § 767 Abs. 2 ZPO

         

      Zu beachten ist zunächst, daß § 767 Abs. 2 ZPO dem Schutz der Rechtskraft dient. Die Vorschrift kann daher bereits ihrem Sinn und Zweck nach nicht auf der Rechtskraft nicht fähige Titel angewendet werden. Sie gilt daher nicht für Einwendungen gegenüber titulierten Ansprüchen aus

         

        - vollstreckbare Urkunden gemäß § 794Abs. 1 Nr. 5 ZPO (vgl. § 797 Abs. 4 ZPO),

        - Anwaltsvergleichen (vgl. § 797 Abs. 4 ZPO),

        - Prozeßvergleichen (rechtshindernde Einwendungen sind hier nach h.M. aber dennoch nicht mit der Vollstreckungsgegenklage, sondern durch Fortsetzung des Ursprungsprozesses geltend zu machen, s.o. C 3 a ff [2]),

        - Kostenfestsetzungsbeschlüssen (im Kostenfestsetzungsverfahren sind materiell-rechtliche Einwendungen nicht zu prüfen; zudem können die Kosten bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung der Höhe nach nicht abschließend bestimmt werden, vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 523; T/P 767/25).

           

      Demgegenüber ist § 767 Abs. 2 ZPO analog in der Vollstreckungsgegenklage ähnelnden Prozeßverfahren anzuwenden, wenn es dort um den Bestandsschutz des Titels geht (vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 523), etwa bei Schadensersatz- oder Bereicherungsklagen wegen ungerechtfertigter Vollstreckung (“verlängerte Vollstreckungsgegenklage”; vgl. BGHZ 83, 278; Lackmann a.a.O., Rn. 572), Klagen auf Herausgabe des Titels oder Feststellungsklagen wegen eines Anspruchs, der eine Einwendung nach § 767 ZPO geben kann.

       

      Gemäß § 767 Abs. 2 ZPO können Einwendungen nur dann zum Erfolg führen, wenn die Gründe, auf denen sie beruhen, nach dem Schluß der letzten mündlichen Verhandlung entstanden sind, in der Einwendungen nach der ZPO spätestens hätten geltend gemacht werden müssen.

         

      Maßgeblich ist allein der Zeitpunkt der ersten objektiven Möglichkeit, die Einwendung geltend zu machen. Der Entstehungszeitpunkt des Einwands ist allein nach objektivem Recht zu bestimmen; es kommt daher nicht darauf an, ab wann die Partei die der Einwendung zugrundeliegenden Tatsachen kannte oder hätte erkennen können (vgl. BGHZ 34, 274; BGHZ 61, 25; BGHZ 100, 222; BGHZ 131, 82; BGH NJW 2001, 231; T/P 767/22).

         

        (1) Umstritten ist der maßgebliche Zeitpunkt im Fall von Gestaltungsrechten (also etwa Aufrechnung, Rücktritt, Wandelung, Anfechtung), die vor Schluß der mündlichen Verhandlung entstanden sind (Anfechtungs-, Aufrechnungslage etc.), aber erst danach ausgeübt werden.

         

        Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH kommt es auch hier allein auf die objektive Möglichkeit der Ausübung des Gestaltungsrechts an (vgl. BGHZ 34, 274; BGHZ 38, 122; BGHZ 42, 37; BGHZ 94, 29; so z.B. auch Zöller/Herget a.a.O., § 767 Rn. 14). Diese Auffassung will die Vollstreckung vor durch eine spätere Ausübung des Gestaltungsrechts verursachten Verzögerungen schützen, damit die Vollstreckbarkeit rechtskräftiger Urteile aufrechterhalten (vgl. Brox/Walker a.a.O., Rn. 1344) und den Schuldner zwingen, möglichst früh von seinen Gestaltungsrechten Gebrauch zu machen (vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 518). Eine Ausnahme gilt jedoch für vertraglich eingeräumte Gestaltungsrechte wie Options- oder Rücktrittsrechte (vgl. BGHZ 94, 29). Hier führt der BGH im Fall eines befristeten Mietvertrages mit Verlängerungsoption zur Begründung aus, für ein vertraglich eingeräumtes Gestaltungsrecht sei der Zeitpunkt der Gestaltungserklärung maßgebend. Im Gegensatz zu Gestaltungsrechten, bei denen - wie bei der Aufrechnung oder Anfechtung - die Freiheit des Berechtigten, den Zeitpunkt der Abgabe der Gestaltungserklärung zu wählen, lediglich eine Nebenfolge, nicht aber der Zweck des Gestaltungsrechtes sei, liege es nämlich gerade im Wesen eines dem Vertragspartner gewährten Optionsrechtes, ihm die Entscheidungsfreiheit zu lassen, ob und gegebenenfalls wann er die Option ausübe (vgl. BGHZ 94, 29).

         

        Die in der Literatur vorherrschende Gegenansicht hält demgegenüber generell den Zeitpunkt der tatsächlichen Abgabe der Gestaltungserklärung für maßgeblich, da erst mit der Gestaltungserklärung die Rechtsänderung eintritt (vgl. z.B. T/P 767/22a; Lackmann a.a.O., Rn. 520; Brox/Walker a.a.O., Rn. 1346; Musielak/Lackmann a.a.O., § 767 Rn. 37). Innerhalb dieser Ansicht wird zum Teil versucht, unerwünschte Verzögerungen der Vollstreckung dadurch zu unterbinden, daß unter Hinweis auf die allgemeine Prozeßförderungspflicht die spätere Geltendmachung eines Gestaltungsrechtes bei Mißbrauch oder grober Nachlässigkeit des Schuldners nicht zugelassen wird (vgl. Jauernig a.a.O., § 12 II; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 21. Aufl., § 767 Rn. 35).

         

        In der Klausur sollte, wenn es auf die Entscheidung dieser Frage ankommt, bei der dann vorzunehmenden Agrumentation trotz der dogmatischen Vorzüge der Literaturansicht nicht vergessen werden, daß eine praktische Arbeit abzuliefern ist und die Ansicht der Rechtsprechung schon den Charakter von Gewohnheitsrecht hat (vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 520).

         

        (2) Im Fall des Einspruchs gilt bei Versäumnisurteilen § 767 Abs. 2, letzter Halbsatz ZPO, nach dem hinzukommen muß, daß die Einwendungen durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können. Eine entsprechende Regelung für den Einspruch gegen Vollstreckungsbescheide findet sich in § 796 Abs. 2 ZPO.

         

        Nach der h.M. bedeutet dies, daß die Einwendungen nicht nur nach der mündlichen Verhandlung entstanden sein müssen, in der das Versäumnisurteil ergangen ist, sondern auch nach dem Ablauf der Einspruchsfrist (vgl. RGZ 104, 228; BGH NJW 1982, 1812 [zu dem ähnlichen § 323 Abs. 2 ZPO]; T/P 767/21; Musielak/Lackmann a.a.O.,
        § 767 Rn. 38; Brox/Walker a.a.O., Rn. 1341; Lackmann a.a.O.; Rn. 521). Der durch ein Versäumnisurteil Beschwerte ist danach gehalten, alle vor Ablauf der Einspruchsfrist entstandenen Einwendungen schon mit dem Einspruch  geltend zu machen (vgl. BGH NJW 1982, 1812).

         

        Eine Gegenansicht will es bereits ausreichen lassen, daß die Geltendmachung der Einrede durch Einspruch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung über die Vollstreckungsgegenklage nicht mehr möglich ist (vgl. OLG Hamm NJW-RR 2000, 659; Stein/Jonas/Münzberg a.a.O., § 767 Rn. 40). Zugunsten dieser Ansicht sprechen zwar prozeßökonomische Erwägungen: Wer beispielsweise auf ein auf Zahlung erkennendes Versäumnisurteil innerhalb der Einspruchsfrist zahlt, müßte nach der h.M. dennoch Einspruch einlegen, um den Erfüllungseinwand nicht nach § 767 Abs. 2 ZPO zu verlieren, wenn der Kläger dessen ungeachtet aus dem Versäumnisurteil vollstreckt. Allerdings wird durch diese Ansicht die Präklusion nach den §§ 767 Abs. 2, 796 Abs. 2 ZPO praktisch vollständig unterlaufen; sie wird deshalb ganz überwiegend abgelehnt (vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 521). Der Schuldner aus dem Beispielsfall ist gegen die unrechtmäßige Vollstreckung im übrigen auch nicht wehrlos; ihm verbleibt zumindest die Klage aus § 826 BGB auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung oder Ersatz des durch die unrechtmäßige Vollstreckung bereits verursachten Schadens (vgl. Brox/Walker a.a.O., Rn. 1322).

         

        (3) Im Fall einer Abtretung der Klageforderung im Vorprozeß, die dem Schuldner zunächst nicht bekannt gemacht wird, und einer dennoch erfolgenden Verurteilung des Schuldners zur Leistung an den Zedenten ist die bisher h.M. (vgl. z.B. T/P 767/22) davon ausgegangen, der Schuldner sei mit seiner Einwendung ausnahmsweise bei einer folgenden Vollstreckungsgegenklage nicht präkludiert: Zwar sei die Einwendung der Abtretung der Forderung und der daraus folgenden fehlenden Aktivlegitimation des Zedenten objektiv bereits vor dem Schluß der mündlichen Verhandlung des Vorprozesses entstanden; auf seine Unkenntnis komme es grundsätzlich nicht an. Dem Schuldner stehe jedoch noch ein weiterer materiell-rechtlicher und nicht präkludierter, da erst nach Schluß der mündlichen Verhandlung des Vorprozesses entstandener Einwand zu. Dieser bestehe gerade in der Erlangung der Kenntnis von der Abtretung, die zum Verlust seines Rechtes führe, gemäß § 407 Abs. 1 BGB mit befreiender Wirkung an den bisherigen Gläubiger zu leisten; die Kenntnis gehöre hier ausnahmsweise bereits zum Entstehungstatbestand der Einwendung.

         

        Der BGH hat sich mit Urteil vom 19. Oktober 2000, Az.: IX ZR 255/99, NJW 2001, 231 nunmehr gegen diese Auffassung gewandt und ausgeführt, sie sei mit Wortlaut und Inhalt des § 767 ZPO nicht zu vereinbaren und auch aus Gründen des Schuldnerschutzes nicht gerechtfertigt. § 407 BGB begründe für den Schuldner lediglich eine Verteidigungsmöglichkeit gegenüber dem Zessionar, nicht aber gegenüber dem vollstreckenden Zedenten. Es entstehe auch keine mit dem Sinn und Zweck der §§ 404 ff. BGB nicht vereinbare Rechtsschutzlücke für den Schuldner, denn dieser sei gegenüber der Gefahr, durch die Leistung an den Zedenten keine Erfüllung der titulierten Forderung erreichen zu können, nicht auf die Erhebung einer Vollstreckungsgegenklage angewiesen. Er könne vielmehr, wenn der Zedent trotz der Abtretung gegen ihn vollstrecke, ohne seine Berechtigung, etwa durch eine Einziehungsermächtigung, nachzuweisen, den streitigen Betrag hinterlegen und dadurch seine Verbindlichkeit erfüllen (§§ 372 Satz 2, 378 BGB). Setze der Zedent die Vollstreckung dennoch fort, könne der Schuldner eine Vollstreckungsgegenklage auf die nicht präkludierten, da erst nach Schluß der mündlichen Verhandlung entstandenen Einwendungen der Hinterlegung oder des § 409 Abs. 1 BGB stützen (vgl. BGH NJW 2001, 231). Es ist zu erwarten, daß diese Auffassung sich nunmehr durchsetzen wird (vgl. z.B. Lackmann a.a.O. [5. Aufl.], Rn. 522; für die bisher h.M., wenn auch ohne jede Auseinandersetzung mit den Argumenten des BGH dennoch nach wie vor Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 60. Aufl.,
        § 767 Rn. 55).

       

    cc) Keine Präklusion nach § 767 Abs. 3 ZPO

       

      Nach § 767 Abs. 3 ZPO (“Bündelungsgebot”) hat der Schuldner mit der Vollstreckungsgegenklage (nicht notwendig bereits in der Klageschrift, aber bis zum Schluß der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung, vgl. T/P 767/23) alle Einwendungen zu erheben, die er bis dahin geltend zu machen imstande war. Nach h.M. kommt es auch hier – wie bei § 767 Abs. 2 ZPO – nicht auf ein Verschulden des Schuldners, sondern allein auf die objektive Möglichkeit der Geltendmachung der Einwendung an (vgl. z.B. BGHZ 61, 25; Zöller/Herget a.a.O., § 767 Rn. 22; a.A. unter Hinweis auf den gegenüber § 767 Abs. 2 ZPO abweichenden Wortlaut “imstande war” z.B. Brox/Walker a.a.O., Rn. 1357; Jauernig a.a.O., § 12 III).

         

      Mit entgegen § 767 Abs. 3 ZPO in einem Vorprozeß, also mit einer vorangegangenen Vollstreckungsgegenklage, nicht vorgebrachten Einwendungen ist der Schuldner bei Erhebung einer neuen Vollstreckungsgegenklage ausgeschlossen; sie ist insoweit unbegründet. Unerheblich ist anders als bei § 767 Abs. 2 ZPO, ob der Titel, aus dem der Gläubiger vollstreckt, der Rechtskraft fähig ist. Geschützt wird nunmehr nämlich die Rechtskraft des Urteils über die erste Vollstreckungsgegenklage. Dieses Schutzes bedarf es nur dann nicht, wenn dieser Erstprozeß selbst nicht mit einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung, sondern etwa durch Vergleich beendet worden ist.

         

e) Verfahren

       

    Es handelt sich um ein normales Erkenntnisverfahren ohne wesentliche Besonderheiten. Hinsichtlich der Verteilung der Beweislast ist zu beachten, daß diese sich nach dem materiellen Recht richtet, der Schuldner = Kläger also regelmäßig die Beweislast für die von ihm erhobenen rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Einwendungen tragen wird. Für die das Entstehen des Anspruchs betreffenden rechtshindernden Einwendungen (soweit diese mit Erfolg erhoben werden können, weil § 767 Abs. 2 ZPO nicht anwendbar ist, s.o.) hatte der BGH jedoch entschieden, diese habe ebenfalls der Kläger zu beweisen, da das Wesen der Vollstreckungsgegenklage wegen des Erfordernisses der Rechtssicherheit einen Angriff gegen einen bestehenden Vollstreckungstitel nur in beschränktem Maße zulasse (vgl. BGH NJW 1981, 2756). Diese ganz überwiegend kritisierte Auffassung hat der BGH mittlerweile aufgegeben und sich der h.M. im Schrifttum angeschlossen (BGH NJW 2001, 2096). Zur Begründung hat er ausgeführt, die Beweislastverteilung sei von der Parteirolle im Prozess unabhängig. Dies entspreche im Fall einer Feststellungsklage allgemeiner Ansicht; gleichgültig sei dort, ob der vermeintliche Gläubiger auf Feststellung seines Anspruchs klage oder der vermeintliche Schuldner den Rechtsweg beschreite, um das Nichtbestehen des Anspruchs feststellen zu lassen (“negative Feststellungsklage”), immer habe der Gläubiger die Voraussetzungen seines Rechts darzulegen und zu beweisen.  Etwas anderes für die Vollstreckungsabwehrklage anzunehmen, führe zu einem inneren Entscheidungswiderspruch, wenn neben der Vollstreckungsabwehrklage vom Kläger die Feststellung betrieben werde, daß die der Vollstreckungsurkunde zu Grunde liegende Forderung nicht bestehe, oder wenn vom Gläubiger widerklagend die Feststellung des Bestehens der Forderung begehrt werde. Mißlinge dem Gläubiger der ihm obliegende Nachweis, daß der Anspruch bestehe, müsse das Nichtbestehen der Forderung festgestellt werden. Damit ließe sich aber die Abweisung der Vollstreckungsgegenklage mit der Begründung, der Kläger habe das Nichtbestehen der zu Grunde liegenden Forderung nicht nachgewiesen, nicht vereinbaren. Die Beweislast sei vielmehr dem materiellen Recht zuzuordnen, da Beweislastregel und materieller Rechtssatz aufs engste miteinander verbunden sind. Deshalb habe ein Gläubiger die Entstehungsvoraussetzungen seines Anspruchs auch dann zu beweisen, wenn sich der Schuldner wegen dieses Anspruchs in einer notariellen Urkunde der Zwangsvollstreckung unterworfen habe (BGH NJW 2001, 2096; so zuvor auch bereits OLG Celle NJW-RR 1991, 667; Wolfsteiner, NJW 1982, 2851; Münch, NJW 1991, 795 [800]; T/P 767/20b; Lackmann a.a.O., Rn. 527; Brox/Walker a.a.O., Rn. 1358; unklar und tendenziell a.A. offenbar noch immer Baumbach/Lauterbach/Hartmann a.a.O., § 767 Rn. 47, der die neue BGH-Entscheidung nicht erwähnt).

       

    Bei Anwaltsklausuren ist in der Kläger-Rolle auf die Möglichkeit zu achten, durch einen Antrag nach § 769 ZPO die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung zu erreichen.

       

f) Tenor

       

    Der Hauptsache-Tenor eines der Vollstreckungsgegenklage vollständig stattgebenden Urteils lautet etwa (vgl. dazu T/P 767/12; Lackmann a.a.O., Rn. 529; Brox/Walker a.a.O., Rn. 1369):

       

        Die Zwangsvollstreckung aus (es folgt die genaue Bezeichnung des Titels, aus dem vollstreckt wird, z.B.: “dem Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 3. Januar 2002, Az. 4 O 987/01,”) wird für unzulässig erklärt.

       

    Hat die Klage nur in Höhe eines bestimmten Betrages Erfolg, ist die Zwangsvollstreckung nur wegen dieses Betrages für unzulässig zu erklären und die Klage im übrigen abzuweisen. Zuvor ist jedoch ggf. durch Auslegung des Antrages zu klären, ob der Kläger tatsächlich die Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus dem gesamten Titel begehrt und nicht nur aus einem Teil des Titels.

       

    Etwaige Besonderheiten der erfolgreichen Einwendungen sind auch bei der Tenorierung zu beachten. So kann eine Stundung dazu führen, daß die Zwangsvollstreckung nur “bis zum ...” oder “zur Zeit” für unzulässig zu erklären ist; ferner kann ein Zurückbehaltungsrecht dazu führen, daß die Zwangsvollstreckung nur Zug um Zug gegen Erbringung der Gegenleistung fortgesetzt werden darf und im übrigen für unzulässig zu erklären ist (hierzu T/P 767/12). Zu diesen und weiteren Beispielen vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 531; Brox/Walker a.a.O., Rn. 1369.

       

    Bei der Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist bei einer ganz oder teilweise stattgebenden Entscheidung zu beachten, daß das Urteil wegen § 775 Nr. 1 ZPO insgesamt, also nicht etwa nur wegen der Kosten, für vorläufig vollstreckbar zu erklären ist (also wie bei einem Leistungsurteil) und bei der Bestimmung der Sicherheitsleistung der Wert der Forderung, wegen der der Beklagte vollstreckt hat, mit zu berücksichtigen ist, da diese Vollstreckung durch das Urteil verhindert wird und dem Beklagten bei einer nunmehr eintretenden Insolvenz des Klägers ein Schaden in dieser Höhe droht (vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 532). Die Vereinfachung des § 709 Satz 2 ZPO n.F. greift insoweit nicht, da der Kläger aufgrund des der Vollstreckungsgegenklage stattgebenden Urteils nur im Hinblick auf die ihm zu erstattenden Kosten eine Geldforderung im Sinne von § 709 Satz 2 ZPO vollstrecken kann, während im übrigen ein Gestaltungsurteil vorliegt und daher gerade nicht “wegen einer Geldforderung” zu vollstrecken ist. Die Sicherheitsleistung oder ggf. Abwendungsbefugnis ist bei einer Klagestattgabe also auszurechnen.

       

    Der Streitwert für die Vollstreckungsgegenklage richtet sich nach § 3 ZPO und besteht in dem Wert der Forderung, wegen der die Vollstreckung betrieben wird, oder – wenn die Vollstreckung nur in Höhe eines Teilbetrages angegriffen wird – in dem angegriffenen Teilbetrag (vgl. BGH NJW-RR 1988, 444; T/P 767/32; Lackmann a.a.O., Rn. 533).

 

g) Gestaltungsklage analog § 767 Abs. 1 ZPO

 

    Abschließend sei noch auf den Fall hingewiesen, daß ein Schuldner in einem aufgrund eines Verfahrensfehlers nicht der materiellen Rechtskraft fähigen Urteil, dessen Tenor zur Hauptsache inhaltlich aber hinreichend bestimmt ist, zur Leistung verurteilt wird. Beispiel nach BGH NJW 1994, 460: Der Schuldner wird durch ein auf eine unzulässige Teilklage (die eingeklagten Einzelforderungen übersteigen den Antrag; es wird nicht deutlich, auf welche der Einzelforderungen der Kläger den Antrag stützen will) ergangenes Urteil zur Zahlung verurteilt. Der (zutreffende) Einwand, der Titel sei aufgrund der Unbestimmtheit der dem Urteil zugrundeliegenden Forderungen nicht der materiellen Rechtskraft fähig, stellt keine materiell-rechtliche Einwendung dar, sondern betrifft die Wirksamkeit des Titels und ist daher zur Begründung einer Vollstreckungsgegenklage ungeeignet (vgl. BGH NJW 1994, 460). Materiell-rechtliche Einwendungen gegen “den titulierten Anspruch” kann der Schuldner nicht erheben, da nicht feststellbar ist, welche Ansprüche überhaupt tituliert worden sind. Eine Klauselerinnerung scheitert an der inhaltlichen Bestimmtheit des Tenors (Zahlung in bestimmter Höhe; vgl. Lackmann a.a.O., Rn. 494). In dieser Situation hat der BGH zugunsten des Schuldner eine prozessuale Gestaltungsklage analog § 767 Abs. 1 ZPO für statthaft gehalten. Er wendet insoweit weder § 767 Abs. 2 ZPO (es fehlt an einer der materiellen Rechtskraft fähigen Entscheidung) noch § 767 Abs. 3 ZPO an (vgl. im einzelnen BGH NJW 1994, 460; dazu Lackmann a.a.O., Rn. 494, 534).

 

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